Erster Prozesstag im Mordfall Vebronia Tabbo

Donnerstag, den 6. November 2014

Schon der erste Beweisantrag lässt aufhorchen

 

Unter Leitung des Vorsitzenden Richters der. 1. Strafkammer des Landgerichts Hanau, Dr. Grasmück, begann die erste Verhandlung zum Mord an der Saal A 216 Hanauer Landgerichtaus Syrien stammenden Altenstädterin Vebronia Tabbo im Mai 2013 etwas verspätet. Nach den üblichen juristischen Formalien und der Vereidigung eines der ehrenamtlichen Richter gestattete der Vorsitzende Richter dem Verteidiger des Beklagten Baschar G., Rechtsanwalt Th. Kieseritzky aus Frankfurt, einige der erschienenen ZuschauerInnen aufzufordern, den Saal zu verlassen. Sie könnten möglicherweise im weiteren Verfahren noch als ZeugInnen benannt werden. Das mochten die Angesprochenen nicht akzeptieren und protestierten lautstark dagegen. Ein Justizbeamter versuchte schließlich, sie zu beruhigen. Er erklärte ihnen, als mögliche ZeugInnen sollten sie unbeeinflusst bleiben. Deshalb dürften sie vor ihrer Aussage nicht wissen, welchen Verlauf die weiteren Verhandlungen genommen hat, welche Beweise vorgelegt wurden und wer was wie bezeugt bzw. berichtet hat.

Er schob sie sachte nach draußen und schloss die Tür. Niemand im Saal bemerkte, dass sich danach im Gerichtsflur draußen wohl eine sehr unschöne Szene abspielte. Die aus dem Saal Gewiesenen trafen dort auf die Tochter der Ermordeten; sie sollen sie dabei heftig beschimpft und verantwortlich für ´ihren Rausschmiss´ gemacht haben: sie sei schuld und wolle ihnen wieder nur Schwierigkeiten machen. Bei diesen Personen handelte es sich vor allem um Angehörige der Herkunftsfamilie der Ermordeten, mit denen die Familie Tabbo schon seit vielen Jahren zerstritten war/ist. Die Tochter der Ermordeten war so aufgeregt und empört, dass sie noch immer am ganzen Leib zitterte, als die Verhandlung längst wieder zu Ende war.

Im Saal verlas der zuständige Staatsanwalt währenddessen aus der Anklageschrift. Der von ihm vorge­tragene Teil befasste sich allerdings nur damit, wie, wann und wo der Beschuldigte, Baschar G., Vebronia Tabbo ermordet haben soll. Mehr aus diesem ´Prosa-Stück´ der Anklage trug der StA leider nicht vor, was bei etlichen der ZuschauerInnen die erste Enttäuschung an diesem ersten Verhandlungstag hervorrief.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob sich der Beschuldigte dazu äußern wolle, wies der Angeklagte die Beschuldigung zurück: Er habe Vebronia Tabbo nicht ermordet.

Er hatte offenkundig mehr sagen wollen, doch versagte ihm die Stimme. Auch das enttäuschte so manche der Zuschauer sehr. Sie meinten, hier hätte der Verteidiger eingreifen und dem von der Untersuchungshaft sichtlich angeschlagenen Beklagten helfen müssen.

Dolmetscher-Baschar-Kieseritzky 06-11-2014

Nach einer Absprache zwischen dem Vorsitzenden Richter und dem bestellten, vereidigten Übersetzer, der – im Unterschied zu den zuvor von der SOKO Friedberg bemühten Dolmetschern - auch die syrisch-arabischen Dialekte in Wort, Schrift und Sprechweise beherrscht, kam der Verteidiger zu Wort. Er beantragte, das Gericht möge einige der aus dem Saal gewiesenen Personen als ZeugInnen benennen. Das war erwartbar gewesen. Aufhorchen ließ allerdings, wie der Verteidiger seinen ersten Beweisantrag begründete: Aus Mitschnittprotokollen polizeilich abgehörter Telefonante zwischen verschiedenen Familienmitgliedern der Herkunftsfamilie der Ermordeten gehe hervor, dass sie sich über gewisse Aussagen abgesprochen haben, die sie gegenüber der SOKO Friedberg übereinstimmend machen wollten oder sollten, so der Verteidiger. Zum Beweis zitierte er ausführlich einige der Gesprächsinhalte aus diversen Abhörprotokollen.

Der Staatsanwalt indes wiegelte rollenkonform ab und meinte mit schwacher Stimme (sinngemäß), was die Familie da miteinander geredet habe, das stamme aus der üblichen Gerüchteküche. Es sei bedeutungslos.

Das Gericht nahm Antrag und Ablehnung zur Kenntnis. Danach schloss Dr. Grasmück die Verhandlung so rasch - zur weiteren Enttäuschung der meisten ZuschauerInnen - dass sie die Bedeutung dessen gar nicht so schnell begreifen konnten, was die Verteidigung da soeben vorgetragen hatte. Auch die meisten der anwesenden Pressevertreter nicht, wie die Zeitungsartikel am Folgetag belegen würden. Im ZuschauerInnengeraune ging auch fast unter, dass der heutige Termin aus einem einzigen Grund angesetzt worden war, obgleich prozessrelevante Geladene fehlten: Baschar G. hätte diese Woche frei gelassen werden müssen, da die rechtliche Sechsmonatsfrist für die Dauer der Untersuchungshaft ablief. Das wollte man offenbar nicht. Auch ansonsten war man mit dem Beschuldigten in den ersten Monaten der U-Haft wenig zimperlich umgegangen. Mehr als zwei Monate lang hatte er nur das T-Shirt vom Tag seiner Verhaftung an; frische Kleidung anzunehmen, war ihm verwehrt worden. Die entsprechenden Anträge der Familie Tabbo ließ man einfach auf der Ablage ´schmoren´, bearbeitete und beantwortete sie quälend lange nicht. Baschar G. durfte in dieser Zeit auch nicht telefonieren. Seine Freundin bekam lange nicht die Besuchstermine, die ihm rechtlich zugestanden hätten - um hier nur die Wichtigsten aller Schikanen in den ersten Monaten zu erwähnen. Sie passen allerdings trefflich mit all dem zusammen, was sich die SOKO Friedberg und mit ihr durchaus auch die Hanauer StA geleistet hat und leistet. Dazu gehört wohl auch: Baschar G. wurde gleich nach der Verhandlung in den Keller des Landgerichts Hanau gesperrt. Dort musste er bis gegen 18 Uhr ausharren. Wieder in Preungesheim scherzte er bitter, er habe wenigstens was zu rauchen dabei gehabt.    

Den zweiten Prozesstermin beraumte Dr. Grasmück für Mittwoch, den 12. November 2014, an. Aber Achtung: Anders als zuvor angekündigt, wird die zweite Verhandlung bereits um 8 Uhr 15 morgens beginnen.  

 

Redaktion Altenstadt-online

 

siehe dazu auch die von uns veröffentlichten Artikel zum Mordfall Tabbo unter:

http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/gefaehrdungen/mord-an-frau-v-tabbo

http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/images/pdf/Die%20Leiden%20der%20Familie%20Tabbo%2009-07-2014.pdf

http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/gefaehrdungen/31-soko-friedberg-tappt-im-dunkeln

http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/aktuelles/news-aus-der-region/46-zweite-verhandlung-im-mordfall-v-tabbo-am-12-11-2014-ein-tag-voller-ueberraschungen