Das kennt jeder und jede: Gedanken geradeaus formulieren, ohne Taktieren, ohne falsche Rücksichtsnahmen, sich Ärger von der Seele laden, Kummer ausschütten, aber auch ernsthaftes oder heiteres Nachdenken über politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, Nachdenken über Medien, deren Sprachgebrauch, Versatzstücke, Instrumente und Instrumentalisierung -

 

"Tacheles reden"

 

meint all das und vieles mehr.

 

Tacheles 1 - September 2014

 

                                 

                              Wir Menschen

Auf Befehl Folterer und Mörder?

Das "Milgram-Experiment" aus den 60ziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist weltberühmt. Der Forscher, Stanley Milgram, hatte in den USA Studenten in einen Raum gesetzt und ihnen befohlen, einen Knopf zu drücken, egal was passiert. Die meisten Studenten sollen dem Befehl blind und widerspruchslos gefolgt sein. Drückten sie den Knopf, weil eine menschliche Stimme aus dem Nebenraum eine Frage falsch beantwortet hatte, hörten sie von dort zunehmend schlimme menschliche Schmerzensschreie. Dennoch sollen sie die Stromstöße weiter erhöht haben, wenn es ihnen befohlen wurde. –

Es ist alles nicht wahr. Wahr ist, Stanley Milgram hat geschwindelt. Er hat in seinem Forschungsbericht über diese Experimente unterschlagen, dass er seine Studien­teilnehmer manipuliert hatte. Er hatte ihnen vor Beginn vorgegaukelt, das folgende Experiment sei wissenschaftlich außerordentlich bedeutend und wichtig für die Gesellschaft.

Psychologen um Alexander Haslam von der Universität of Brisbane haben jetzt noch einmal die Unterlagen zu diesem "Milgram"-Experiment erforscht (vgl. dazu im British Journal of Social Psychologie (online) und S. Herrmann in SZ vom 11. September 2014, S. 16). Dabei fanden sie Notizen zur Durchführung der damaligen Testreihen. Und siehe da, die Testpersonen, die sich geäußert hatten, waren der Meinung, sie hätten an einem äußerst wichtigen Wissenschaftsprojekt von nationaler Bedeutung teilgenommen. Sie gaben u.a. an, Milgram habe erforschen wollen, wie sich körperliche Bestra­fungen auf den Lerner­folg von Bestraften auswirkten. Milgram selbst hat keine Notizen zu seiner Vorabunterrichtung der Studienteilnehmer gemacht.

Wir Menschen sind also keineswegs auf Befehl blindlings gehorchende Folterer und Mörder. Wir werden es aber, wenn wir meinen, mit der Quälerei/Tötung anderer, einem übergeordneten und gesellschaftlich wichtigen Ziel zu dienen. Das wussten schon die Nazi´s und haben es millionenfach praktiziert.

Heute ist es das hehre und höchste Ziel der westlichen Industriestaaten, die Menschenrechte durchzusetzen – auf der ganzen Welt, selbstverständlich. Darunter geht es nicht, selbst die Waffenproduktion und der Waffenexport in alle Welt dienen diesem Ziel. Auch die wirtschaftliche Ausbeutung von Bodenschätzen z.B. in Afrika dient den Menschenrechten – wie unser Bundespräsident, Herr Gauck (oder heißt er Gauckler?), neulich verkündete: ohne Rohstoffe leidet die deutsche Wirtschaft. Es kommt zur Massenarbeitslosigkeit. Soziale Aufstände sind zu befürchten. Den dann einsetzenden Verletzungen von Menschenrechten bei uns muss selbstverständlich ebenso vorgebeugt werden.

Es ist noch nicht lange her, da bombte die Bundeswehr mit ihren Nato-Verbündeten im Namen der Menschenrechte völkerrechtswidrig den südlichen Balkan nieder. Das war in den 90ziger Jahren als sich Bosnier, Serben, Kroaten und Kosovoalbaner niedermetzelten und Jugoslawien zerfiel. Stündlich sahen wir hier im Fernsehen ungeheure Ströme von Flüchtlingen, sahen hoch bewaffnete Freischärler, niedergebrannte Dörfer und zerschossene Städte, gefallene Soldaten und Leichenberge ermordeter Zivilsten. Was das deutsche Außenministerium hingegen Kroatien versprochen hatte, wenn es sich vom Jugoslawienbund löse, das sahen und hörten wir nicht. Als die NATO-Bomben fielen, zeigte uns das Fernsehen plötzlich sehr viel weniger Bilder von Flüchtlingen, von Bombenopfern, Hingemetzelten und Verletzten. Warum? Nun. Die Durchsetzung der Menschenrechte mittels NATO-Bomben hatte offensichtlich pure Wunder bewirkt.                                                                                                     Panzer Hessentag 2011

Haben wir das tatsächlich geglaubt?

Damals war es das Kosovo, waren es Bosnien-Herzogewina und Serbien. Dann kam der (nicht zufällig in bundesdeutschen Medien so getaufte) emphatisch begrüßte "Arabische Frühling" mit Bürgerkriegen in Tunesien, Ägypten, Lybien, Syrien. Bürgerkriege für Menschenrechte und Freiheit natürlich. Heute ist es die Ukraine. Aber gegen den Freiheitsdrang der Ukrainer Richtung NATO, EU und Freihandelszone steht dieses schrecklich autoritäre Russland, in dem man Schwule und Lesben verfolgt, in dem nirgends Freiheit und Marktwirtschaft herrschen, und, schlimmer geht´s nimmer, dieser Putin auch noch das Völkerrecht ignoriert. Und die Krim annektiert.

Dem Wladimir Putin muss man auf die Finger hauen, damit er lernt, das darf er nicht – das höhere Ziel, die Akzeptanz des Völkerrechts insgesamt steht auf dem Spiel.

Das hören und sehen wir dieser Tage.

Das ist die Milgram-Methode, nur viele Mal weitergedreht: Wie wir da so ticken, was wir wollen, was wir lieben, wohin uns unsere Gier treibt, was wir fürchten, hassen oder wollen, all das forscht bekanntlich die amerikanische NSA (u.a.) zusammen mit dem Bundesnachrichtendienst aus – nicht nur bei uns. Aus ihren Analysen wissen sie, wie jeder und jede einzelne von uns drauf ist, ja, wie sie uns psychisch und geistig ´abholen´ können. Sie wissen, wer von uns schlicht gleichgültig ist, wer sich Vorteile wo erkauft, wer welche Probleme, Vorurteile, Bedürfnisse, Neigungen und Abneigungen hat, wer sich ständig selbst betrügt und wem sie eben höhere Ziele vorgaukeln müssen, um Zustimmung zu den schrecklichsten Taten ihrer Regierungen und Militärs zu erhalten. Noch schlimmer, die gesammelten Informationen erlauben es ihnen herauszufinden, wie sie unsere Zustimmung und Beteiligung ohne direkten Zwang und Schein wahrend erwirken können. Damit sie uns später damit erpressen und zum Stillschweigen vergattern können.

Das hat ja schon so viele Male geklappt.

Täuschen wir uns nicht. Gerade das ist es, was das Abgreifen und Speichern all unserer Telefonate, Mails, Gespräche, all die tiefen Einblicke in unser individuelles Leben, so gefährlich macht. Sie können uns lenken, wohin sie wollen. Idealismus ist die wichtigste Falle. Sie können uns damit auch in die direkte Diktatur hinein manipulieren, ohne dass wir es merken. Und wenn Leute erkennen, wohin die Reise geht? - Der ist eben Paranoiker und/oder Verschwörungstheoretiker und gehört sozial, kulturell wie wirtschaftlich oder auch schon mal strafrechtlich isoliert. So tönt es aus allen Hype-Medien.

Die Instrumente dazu haben sie bekanntlich – siehe nur zum Beispiel die sog. Affäre Edathy. Gelegentlich steckt man solche Leute auch in die Psychiatrie. Wir erinnern uns alle an den Fall "Mollath". Und wenn wieder mal ein solcher Fall herauskommt und die Öffentlichkeit bewegt? Umso besser. Das beweist nichts anderes, als dass Rechtsstaat, Öffentlichkeit und Demokratie funktionieren.

Uns anderen, den Nichtmerkern, Idealisten, politisch Ungeschulten und naiv sozial Engagierten brauchen sie also nur vorzugaukeln, was unsere Stimmungen und hehren Gefühle anspricht, unsere Ängste beschwichtigt oder aufreizt und unsere Sorgen zerstreut. Dann präsentieren sie uns scheinbar akzeptable Lösungen ohne Alternative - und schon sind wir so angenehm leicht in die nächsten Verbrechen im angeblichen Kampf ums angebliche Menschenrecht zu verstricken.

 

Tacheles 2

 

Neuigkeiten aus der Ukraine

Es ist kaum auszuhalten. Die Berichterstattung über die aktuellen Entwicklungen und die Chronik des Konflikts unterschlägt drei der wichtigsten Tatsachen.

Erstens: Auf dem Maidan-Platzes in Kiew im Februar und den folgenden Monaten 2014 rebellierten viele Ukrainer und Ukrainerinnen auch gegen die Verträge, die die Janukowitsch-Regierung a) mit dem niederländischen Ölgiganten Schell über Fracking in der Ukraine im Wert von 7 Milliarden Dollar bereits abgeschlossen hatte und b) gegen die anstehende Vertragsabschließung ebenfalls über Fracking mit dem amerikanischen Konzern Chevron. Sie wollten nicht, dass ihre Erde überall in der Ukraine mit Chemie vollgepumpt und vergiftet wird, um Öl und Gas aus all ihren Ritzen zu jagen. Der Vertrag mit Chevron ist inzwischen abgeschlossen und das erklärt auch in gewisser Hinsicht das schier unglaubliche Interesse, was die USA an der Ukraine hat. Es erklärt auch zumindest zum Teil, warum gerade die USA die EU so stark drängt, noch mehr Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Die größten und für Fracking geeigneten Vorkommen von Öl und Gas werden im Osten der Ukraine vermutet.

Zweitens: Das empörte Geschrei der westlichen Staaten gegen die Oligarchen in der Ukraine und in Russland mutet sehr, sehr merkwürdig an. Leben die vergleichsweise wenigen Superreichen der Welt nicht in den USA? Auch sie sind Oligarchen, oder - wie Chrysta Freeland in ihrem viel beachteten Buch "Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite" (Ffm 2013) schrieb - sie sind die neuen Plutokraten.  Da auch die Faschisten und Nationalsozialisten dieser Welt gegen die "Plutokratie" schimpften und wetterten und auch heute wieder schimpfen und wettern (in Verkennung der wirklichen ökonomischen Zusammenhänge freilich) ist dieser Begriff für uns heute nicht mehr zu gebrauchen, bleiben wir also bei "Oligarchen". Seit nun der Schokoladenfabrikant und westukrainische Oligarch Poroschenko Präsident der Ukraine ist, gibt es, glauben wir unseren Medien, nur noch in Russland Oligarchen. Die Ukraine scheint frei davon zu sein. Russlands Oligarchen sind im Übrigen schwer zu bestrafen - das wünschen all die RächerInnen der Witwen und Waisen, die in der EU insgesamt wie in den einzelnen EU-Staaten in Amt und Würden sind. In der Ukraine gibt es hingegen keine Oligarchen mehr, seit ´man´ Janukowitsch und seinen Clan aus der Ukraine vertrieben hat. Der Oligarch des Ostens indes, dem viele der Kohlebergwerke und die dortigen Stahlwerke gehören mit abertausenden von Arbeitern, scheint verschwunden und mit ihm die Kohlegruben und Stahlwerke, die so viele Ukrainer ernährten. Deshalb existiert auch keine Korruption mehr, kein Lug und Betrug, keine Infiltration all dieser im Geheimen operierenden Militärberater aus aller Westwelt, wie z.B. jenen aus den Reihen der berüchtigten Firma Blackwater. Manager, andere Verhandler und der ganze Tross der Ingenieure der Fracking-Konzerne sind in der Ukraine schon mal gar nicht gegenwärtig. Fracking und die genannten Verträge, davon wissen unsere Medien gar nichts. Wird es ihnen von wachen MediennutzerInnen per Mail etc. mitgeteilt, vergessen sie es ganz, ganz schnell wieder. Sie begehen offenbar lieber Selbstmord als ernst zu nehmende JournalistInnen als das Wörtchen "Fracking" im Zusammenhang mit "Ukraine" überhaupt zu denken oder auszusprechen - geschweige denn, uns über diese 14 Milliarden-Fracking-Projekte zu informieren. Im Gegenteil. Heute, Montag, den 15. September, hörte ich einen Westkorrespondenten aus Moskau, der in HR Info von solchen Hirngespinsten sprach, verbreitet von einer Putin-hörigen Presse in Russland und wiedergegeben von indoktrinierten Russen und Russinnen. 

Drittens: So wenig wie dieser Präsident der Ukraine, dieser Herr Poroschenko, für unsere Medien ein Oligarch ist, so untersagt scheint es auch, von ihm als dem Herrn ukrainischer Waffenproduktionen zu berichten. Schokolade ja - Waffen aber: nein und abermals nein. ´Man´suggeriert uns, der Herr Poroschenko sei völlig frei von den Eigeninteressen eines Kapitaleigners und waffenproduzierenden Oligarchen. Das macht man uns sozusagen nonstopp glauben, bis uns die Ohren sausen und die Augen vor Müdigkeit zuquellen. 

So steuern wir step by step fast unmerklich auf den Dritten Weltkrieg zu, den Papst Fransziskus richtigerweise - als einziger weltweit - tatsächlich auch so benennt.

Der Papst meint allerding, er sei bereits im Gange.

Ob wir ihm glauben sollten?  

 

 

Eine der Quellen:https://www.boell.de/de/2013/10/23/Schiefergasfoerderung in der Ukraine