Zur neuesten Entwicklung im Fall der ermordeten Vebronia Tabbo und was sie für die Familie bedeutet - siehe
"Die Leiden der Familie Tabbo" vom 09.07.2014
Siehe auch: "Das Hessische Fernsehen schaltet sich ein" vom 1. März 2014
siehe auch: "Die Soko Friedberg tappt weiter im Dunkeln" vom 07. November 2013
Mord an der Altenstädterin
und gebürtigen Syrerin Vebronia Tabbo
Haltlose Verdächtigungen und fehlerhafte Ermittlungen
Dr. Angela Vogel
Mehr als drei Monate sind vergangen. Die oder der Mörder von Frau Tabbo sind bis heute nicht gefunden.
Die Kripo Friedberg verbreitet aber den Anschein, sie sei den Mördern hart auf den Fersen. Sofort nach dem Fund der Leiche hat sie eine zehnköpfige Sonderkommission gebildet. Doch blieb deren Arbeit bislang ohne Erfolg, so aktiv sie auch gewesen sein mag. Ende Juli wurde der Freund der Tochter der Familie Tabbo am hellen Tag in Handschellen abgeführt, gut sichtbar für alle Nachbarn und Kunden seines Geschäfts.
Spektakulär eben.
Zusammen mit dem Ehemann soll er die Mutter seiner Freundin umgebracht haben. Weniger sichtbar war, dass ihn die Polizei wenige Stunden danach wieder entließ. Sie hatte ihn verhaftet, obwohl er für den fraglichen Tag, an dem Frau Tabbo ermordet wurde, ebenso ein wasserdichtes Alibi wie der Ehemann und die Tochter der Ermordeten hat.
Ähnlich spektakulär war, dass die Polizei drei Tage gebraucht hat, um die Wohnung der Ermordeten und ihrer Familie zu untersuchen. Draußen, auf der Hauptstraße durch Altenstadt, parkten währenddessen mehrere Polizeiwagen. Männer in Schutzanzügen untersuchten auch das Auto des Vaters. Das war mehr als auffällig und beunruhigte die meisten Altenstädter zutiefst, zumal währenddessen der Vater gut sichtbar für alle abgeführt und weggefahren wurde.
Wer erfuhr schon, dass das Gerät der Polizei, mit dem sie die Wohnung der Familie auf verborgene Blutspuren hin analysieren wollte, seinen Dienst versagte?
Wer wusste, dass die Kripo deshalb die Wohnung versiegelte? Brauchbaren Ersatz zu beschaffen, dafür brauchten die Ermittler sage und schreibe zwei Tage.
Schon bald stand für die meisten der Altenstädter fest: Der Mann war es. Sie haben ihn. In seinem Auto hat die Polizei Spuren des Blutes seiner Frau gefunden. Von wem diese Information stammte? – "Ich kenne jemand, der kennt den von der Kripo ganz gut und der hat ihm -----." Verstummen, bedeutungsvolles Nicken.
Keine Rede davon, dass sowohl das Auto des Ehemanns als auch das des Freundes der Tochter nach Wiesbaden gebracht und dort vom Landeskriminalamt gründlich untersucht wurde - ohne dabei auch nur eine brauchbare Spur zu finden.
Merkwürdige Verhörmethoden
Die Tochter, eine Studentin, erzählt, wie verstört ihr kleiner Bruder war und immer noch ist. Er ist wenig mehr als zehn Jahre alt. Auch er wurde von der Kripo vernommen. Aber was heißt da schon `vernommen´? Die Polizei habe ihn gar nicht weiter angehört. Er war es, der der Polizei zuhören musste und sie habe ihm gesagt, was bewiesen sei: Dein Vater ist ein Schläger und Gewalttäter. Er hat Deiner Mutter die Zähne ausgeschlagen. Deshalb musste sie ein Gebissteil tragen. Dafür gibt es viele Zeugen.
Gib es zu, dass du es auch weißt. – So, oder so ungefähr.
Zu diesem Zeitpunkt habe die Kripo aber längst Kontakt zur behandelnden Zahnarztpraxis gehabt. Dort hatte sie erfahren, dass die Zähne der Mutter gezogen werden mussten, weil sie nachweislich unrettbar kariös gewesen waren. Und Einwirkung von Gewalt? Davon könne keine Rede sein, so die Zahnärztin.
Dass der Zahnersatz nur 867 € gekostet hatte – der Ermittler wollte es selbst dem Rechnungsdokument nicht glauben, was man ihm in der Praxis vorgelegt hat. Er habe, so eine Zeugin, stattdessen darauf beharrt, der Zahnersatz habe 14.000 € und mehr gekostet. Das habe er aus anderer sicherer Quelle erfahren.
Wieder zu Hause habe der kleine Bruder viele Tage gar nicht mehr sprechen können. Dann habe er sie gefragt, ob das wahr sei. Der Papa habe die Mama doch nie geschlagen. Er habe das nicht gesehen. Ob er sie woanders geschlagen habe? Alle sagen, der Papa habe die Mama geschlagen - alle, die Polizei, die Kinder in der Schule, die Leute beim REWE, beim Penny, auf der Post, auf der Straße und in der Kirche. Der Kleine habe so geweint und sich nicht mehr auf die Straße getraut. In die Schule dann aber schon. Er habe sehr liebevolle LehrerInnen gehabt, die ihm ein bisschen Halt hätten geben können. Er lerne gern und sei ein fleißiger Schüler.
Ähnlich sei die Kripo mit Freundinnen und Bekannten der Familie und anderen mutmaßlichen ZeugInnen umgegangen. Ihnen sei zum Teil suggeriert worden, Tochter, Freund oder Vater hätten dieses und jenes gestanden. Sie könnten also ruhig zugeben, dass auch sie es wüssten - es sei ja schon bewiesen. Man wolle es nur auch von ihnen hören.
Weiter im Fokus des SK: Die Hinterbliebenen
Die Tochter sagt, ihre Eltern hätten sich gut verstanden und sehr gemocht. Sie haben sich in Deutschland kennen gelernt und auch hier geheiratet. Es sei eine Liebesheirat gewesen. Der Vater habe ihre Mutter beschützt, vor allem in innerfamiliären Zwistigkeiten mit deren Herkunftsfamilie. Weder die inzwischen verstorbenen Eltern noch der Bruder seien mit der kommunikativen und lebensoffenen Art ihrer Schwester einverstanden gewesen. Ob das zum Beispiel auch mit dem Lebensmittelgeschäft zusammenhing, das ihre Mutter so viele Jahre in Altenstadt führte, das weiß die Tochter allerdings nicht.
Herr Tabbo sei lange berufstätig gewesen. Vor wenigen Jahren verlor er aber seine bis dahin feste Vollzeitarbeitsstelle. Danach habe er ab und zu Arbeit bei einer Zeitarbeitsfirma gekriegt. In den letzten – circa - drei Jahren habe ihre Mutter mit ihren verschiedenen Putzstellen den Lebensunterhalt der Familie mehr oder minder allein verdient.
Streit, sagt die Tochter, ernsthaften Streit habe es weder deshalb noch aus anderen Gründen gegeben; ihre Eltern hätten sich nur selten gestritten. Auch mit ihnen, ihren Kindern, seien sie meist liebevoll umgegangen.
So sei es auch nur üble Nachrede, dass ihr Vater ihre Mutter vor ungefähr fünfzehn Jahren "irgendwo" so zusammengeschlagen haben soll, dass man sie ins Krankenhaus zur Behandlung ihrer Verletzungen habe bringen müssen. Sie und auch keine/r der FreundInnen oder Bekannten der Familie wisse von einem solchen Vorfall und/oder Krankenhausaufenthalt der Mutter in diesem Zeitraum.
Nicht anders verhalte es sich auch mit einer weiteren Vorhaltung der Polizei, so die Tochter: Eine Zeugin habe der Kripo gesagt, sie habe gehört, ihr Vater habe ihre Mutter vor wenigen Jahren während ihres Putzdienstes im Penny zusammengeschlagen. Dies, weil sich ihre Mutter geweigert habe, ihrem Vater Geld auszuhändigen.
Sie, die Tochter, habe alle Penny-Kolleginnen ihrer Mutter und die Leiterin befragt. Keine habe es gesehen oder davon gehört. Ganz im Gegenteil. Herr Tabbo sei immer sehr freundlich gewesen, wenn er seine Frau während ihrer Arbeit aufgesucht habe. Mit den Pennykolleginnen sei ihre Mutter gut ausgekommen. Mit der Filialleiterin sei sie befreundet gewesen. Wenn so etwas tatsächlich passiert sei, die Filialleiterin hätte davon gewusst. Da ist sich die Tochter sicher.
Ihre Mutter habe auch ihr, der Tochter, nie von einem solchen Vorfall erzählt. Das hätte sie aber, weil seit Langem zwischen ihr und ihrer Mutter ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe. Seit ihrer Schulzeit sei ihre Mutter sehr stolz auf sie gewesen, auch weil sie so gut in der Schule war, dann das Abitur schaffte und nun studiere.
Anders als die Polizei behaupte, sei auch sie stolz auf ihre Mutter gewesen: Ihre Mutter habe nach massiver politischer Verfolgung die Flucht aus Syrien gewagt. Sie habe sich immer wieder mit großer Energie, großem Fleiß und Interesse am Leben behauptet und durchgesetzt. Sie sei eine fromme Katholikin gewesen, habe aktiv am Gemeindeleben teilgenommen. Ihre kirchliche Frauengruppe bete auch heute noch für sie.
Es sei so verletzend, wenn die Polizei sie, die Tochter, beschuldige, sie habe sich ihrer Mutter geschämt, weil die nur "eine Putze" gewesen sei, sie selbst aber nun studiere. Sie frage sich, was im Kopf von polizeilichen Ermittlern noch so alles herumgeistere, die ihr explizit ins Gesicht sagten, ihr sei es erkennbar "gleichgültig", ob "ihre Mutter lebe oder tot" sei.
Man bedenke, sie, ihr kleiner und großer Bruder und ihr Vater haben gerade ihre Mutter und Ehefrau durch eine schreckliche Gewalttat verloren – und die Polizei agiert ihnen gegenüber derart beleidigend, diskriminierend, irreführend und verletzend.
Dazu gehöre, dass die Polizei ihren Vater zum Alkoholiker erkläre. Beweise? Auch dazu könne die Polizei keinen einzigen ärztlichen Befund vorlegen, der die Leberwerte eines Alkoholikers aufwiese oder der sonstige ärztliche Hinweise auf steten Alkoholkonsum enthielte. Tatsächlich sei ihr Vater kein Alkoholiker. Schon aus Gründen der Tradition habe Alkohol keine Rolle im Leben ihrer Familie gespielt.
Weitere Verdachtsschöpfungen
Ganz wild würden die Annahmen der Polizei aber, wenn es um die Tatzeit und den Tathergang selber gehe.
Zunächst habe die Polizei ihr gegenüber behauptet, ihre Mutter sei am Morgen des Tattages zwischen 10 und 12 Uhr ermordet und weggefahren worden. Da ihr Freund erst ab 11 Uhr in seinem Geschäft gewesen sei, könne er die Mutter zusammen mit dem Vater erschlagen haben.
Später sei die Polizei davon ausgegangen, dass die Mutter im Hof des China Imbiss bewusstlos geschlagen, von den Tätern in ein Auto verladen, dann - in der irrigen Meinung, ihr Opfer sei tot - auf einem Gartengelände in der Nähe des Bahnhofs versteckt worden sei. Da sie aber das Bewusstsein wieder erlangt habe, hätten die Täter sie später wieder in ein Auto gezerrt, in den Wald gefahren und dort umgebracht.
Tatsächlich habe die SK in einer großen Aktion den Garten guter Bekannter ihrer Eltern auf Spuren hin untersucht. Sie habe offenbar aber nichts gefunden, was ihre Annahme hätte stützen können. Da in der Nacht nach dieser Durchsuchung ein anderer Garten in der Nähe von "wer weiß wem" abgefackelt wurde, kam die Polizei auf die Idee, Frau Tabbo könnte dort festgehalten worden sein.
Messerscharf schloss die SK daraus: Mit der Brandstiftung hätten die Täter Spuren ihrer Tat vernichten wollen.
Auch dabei wollte die Kripo nicht von ihrem Verdacht lassen, Täter seien der Vater und der Freund der Tochter gewesen. Dazu passte aber wiederum nicht, dass sich die Familie Tabbo und die Besitzer dieses Gartens nur vom Sehen kannten. Das störte die Ermittler aber nicht. Sie fühlten sich ganz im Gegenteil bestärkt.
Die Durchsuchung des abgebrannten Gartens und der verkohlten Reste der Hütte blieb ergebnislos.
Bleibt die Frage des Transports der entführten Frau Tabbo in den Wald, wo man sie später fand. Mit welchem Auto haben die Täter sie zum eigentlichen Tatort transportiert und wem gehörte es?
Zu ´dumm´ und mit dem Verdacht der SK so gar nicht vereinbar sei, gibt die Tochter zu Protokoll, dass das Auto ihres Vaters nachweislich seit dem späten Vormittag des Tattages bis zum späten Mittag auf der Altenstädter Durchgangsstraße im Parkverbot stand. Herr Tabbo sei nach seinem Termin beim Zahnarzt zu Hause gewesen. Als seine Frau nicht erschien und es immer später wurde, sei er sie suchen gegangen. Als er sie nirgends finden konnte, habe er Freunde und Bekannte alarmiert und sie gebeten, mit ihm zu gehen und nach ihr zu suchen.
In dem Fall ist der Gemeinde Altenstadt für das amtlich beglaubigte Alibi zu danken. Sie hat Herrn Tabbo einen Bußgeldbescheid in deftiger Höhe und mit genauen Zeitangaben geschickt. Zeugen für sein weiteres Tun an diesem Tag sind alle diejenigen, die er nach seiner Frau befragt hat und diejenigen, die später mit ihm nach ihr suchten.
Bleibt das Auto ihres Freundes. Doch auch hier ergäben sich keine begründeten Verdachtsmomente. Er hat von 11 Uhr an bis zum späten Mittag in seinem Geschäft gearbeitet und sei dann, mit ihr zusammen, einkaufen gefahren – in ein Geschäft mit Videoüberwachung. Die Kamera habe sie jeweils erfasst, als sie das Geschäft betraten und später als sie es wieder verließen.
Da die Polizei das Handy ihres Freundes beschlagnahmt, alle von ihm geführten Telefonate, alle erteilten und mit seinem PKW bedienten Lieferungsaufträge nachvollzogen und alle GesprächspartnerInnen vernommen hat, ist auch das Alibi ihres Freundes bis zum frühen Nachmittag gesichert. Das gilt aber auch für die dann folgenden Stunden. Wieder zu Hause hat das Pärchen gehört, dass die Mutter immer noch nicht nach Hause gekommen war. Daraufhin gingen auch sie sie suchen – aber ebenso vergeblich.
Über das soziale Netzwerk – auch das ist nachweislich - mobilisierte die Tochter daraufhin ihre Freunde. Es kam ein relativ großer Suchtrupp zusammen. Aber auch er hatte keinen Erfolg. Die Mutter blieb unauffindbar. Sie gerieten in Panik und beschlossen, die Polizei zu alarmieren, die Mutter als vermisst zu melden und sie um Suchhilfe zu bitten.
In dem "China-Imbiss", in dem ihre Mutter gearbeitet hat, habe die SK ihres Wissens nach keine weiteren Untersuchungen vorgenommen. Auch auf dem Hof mit dem Hinterausgang nicht, obwohl ja dort die Mutter – jedenfalls nach damaliger Überzeugung der Polizei - ins Genick geschlagen, bewusstlos geworden und in ein Fahrzeug verladen worden sei.
Auf die Tatsache, dass der Schlüssel zum Vordereingang des "China Imbiss" an ihrem dicken Schlüsselbund fehlte, als man Frau Tabbo tot auffand, habe die Kripo nichts gegeben. Sie habe dagegen dem Imbissbesitzer geglaubt. Der habe behauptet, Frau Tabbo habe keinen Schlüssel zum Vordereingang gehabt, nur den zum Hintereingang.
Die Tochter freilich weiß es anders und kann bezeugen, weil auch sie es mehrere Male hatte beobachten können: Wenn ihre Mutter abends dort putzte und die Gaststätte leer war, hat sie die Vordertür mit einem Schlüssel an ihrem Schlüsselbund abgeschlossen. Sie habe in dem leeren Imbiss so ein starkes Gefühl von Beklommenheit entwickelt und sich beinahe so etwas wie gefürchtet.
Überhaupt, dieser Imbiss.
Von Anwohnern ist zu hören, sie hätten in dessen Umfeld immer wieder Seltsames bemerkt: protzige Fahrzeuge mit Hanauer oder Kennzeichen entfernterer Orte zum Beispiel, oder polnische Leute, die angeblich die Wohnung über dem Imbiss bewohnten, nachts aber in ihrem Wagen mit dem polnischen Kennzeichen schliefen.
Kaum jemand glaubt hier, dass das Sushi im China-Imbiss so gut ist, dass Leute mit augenscheinlich viel Geld nach Altenstadt pilgern, um in diesem nicht gerade einladenden Imbiss zu speisen.
Aber das, so die Tochter, sei der Polizei ja wohl auch nicht neu.
Um so verblüffender findet sie, dass die SK dieser Arbeitsstätte ihrer Mutter so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat - jedenfalls will es ihr so scheinen.
Sonderkommission gibt weitere Rätsel auf
Ob die Polizei auch heute noch von dieser Version des insgesamten Tathergangs ausgehe, das weiß die Tochter derzeit nicht. Zu bemerken sei aber: Auf dem überall in Altenstadt vor kurzem (man bedenke: mehr als drei Monate nach der Tat) aufgehängten Kripoplakat mit der Bitte um Hinweise im Mordfall Tabbo sei zu lesen –
einerseits in Textbaustein 1:
"In den frühen Vormittagsstunden beendete Vebronia Tabbo noch ihre Arbeit im "China-Imbiss" und verließ diesen lebend. Ihrem normalen Tagesablauf folgend, hätte sie nun die nahe gelegene Pizzeria "La Luna" oder ihr Zuhause in der Vogelsbergstraße aufgesucht, jedoch verliert sich in diesem Bereich ihre Spur."
und
andererseits in Textbaustein 2:
"Nach bisherigem Ermittlungsstand kann ein ihr unbekannter Täter ausgeschlossen werden!"
Das ist auch für mich sehr rätselhaft.
Wie kann die Kripo wissen, dass 1.) der Mörder der Frau Tabbo 2.) kein ihr Unbekannter war, andererseits aber texten
3) die Spur der Frau Tabbo verliere sich im Bereich der Hanauer oder Vogelsberger Straße?
Nimmt man den Textausschnitt 1 ernst, dann weiß die Kripo definitiv nicht, was mit Frau Tabbo wo im genannten Ortsbereich geschehen ist, ob es ein oder mehrere Täter waren, ob ihr Opfer ihn oder sie kannte und wer der oder die Täter waren.
Wie kann die SK also wissen, ob Frau Tabbo ihren oder ihre Mörder gekannt hat oder nicht? Text 2 gibt aber vor, genau das sei der SK bekannt.
Daraus folgt logisch:
Die Aussage der Polizei in Text 2 ist keine, sondern nichts weiter als eine als Tatsache ausgegebene Annahme. Oder soll ich davon ausgehen, die Sonderkommission ist in einer Spiritistensitzung dem Geist der Ermordeten begegnet und der habe ihr das zugeflüstert?
Das Plakat der Kripo – siehe Abbildung - belegt einmal mehr, wie tendenziös und voreingenommen sie im Fall des Gewaltverbrechens an Vebronia Tabbo ermittelt hat - und leider immer noch ermittelt.
Dafür spricht, dass die SK der Kripo wenige Tage vor Veröffentlichung ihres Plakats mit der Bitte um Hinweise – und damit ebenfalls erst Monate nach der Tat - den Laptop und das Handy der Tochter beschlagnahmt hat. Sie habe es damit begründet, so die Tochter verbittert, dass sie, die Tochter, zwischenzeitlich wichtige Dateien gelöscht habe. –
Ich frage mich: Hat die Kripo diese Löschungsvorgänge übers Netz ausspioniert, oder wie kam sie auf diese Idee? Und woher weiß sie, dass es sich um "wichtige Dateien" gehandelt hat? – Dateien aus Rechnern zu löschen, soll ja gelegentlich vorkommen. So viel ich weiß, gehört es zu den üblicheren Arbeitsschritten am Laptop oder PC.
Das scheint aber diese Wetterauer SK nicht zu wissen.
Am heutigen Morgen, Freitag, den 6. September 2013, schreckte die Tochter der Ermordeten in aller Früh aus dem Schlaf. Das Telefon klingelte. Am Apparat sei die sehr aufgeregte Bestatterin gewesen: Die war ganz aus dem Häuschen und konnte sich kaum beruhigen. Die Kripo sei bei ihr gewesen. Sie habe von ihr wissen wollen, was sie, die Tochter, der Mutter mit ins Grab gegeben habe. Das habe sie ja noch nie erlebt. Das sei ja allerhand. Als ob sie nachschauen würde, was Angehörige ihren Verstorbenen ins noch offene Grab gäben. Was die Polizei sich dächte -
Lebend in den Wald entführt
Nach wie vor gehe die Kripo davon aus, dass ihre Mutter noch lebend in den Wald in der Mittagszeit – oder frühen Nachmittagszeit – gefahren worden sei. Am Tatort müsse sie sich heftig gegen die Angreifer gewehrt haben, denn:
Ihr Oberkörper habe viele Blutergüsse aufgewiesen und der Kopf sei - sie könne nicht wiederholen, was ihr Vater ihr berichtet habe. Die Polizei habe ihm die Fotos seiner ermordeten Frau gezeigt. Die Mörder müssten jedenfalls große Kräfte gehabt und immer wieder mit großer Wucht zugeschlagen haben. Ein Mensch allein könne das nicht gemacht haben und Blutergüsse entstehen nur am lebenden Körper. Dass die Mutter auch noch am Hals stranguliert worden sei, wie die Wetterauer Zeitung am 3. September den leitenden Staatsanwalt zitiert, habe sie nicht gewusst. Den Obduktionsbefund hätten sie und ihre übrige Familie bzw. ihr Rechtsanwalt ja bis heute nicht erhalten.
Die Tatwaffe, sie habe bislang nur von einem dicken Holzknüppel gehört, habe die Polizei am Tatort sichern können. Doch lägen bis heute die Ergebnisse der Untersuchung dieses Holzteils nicht vor. Das habe ihr jedenfalls die SK noch vor kurzem gesagt.
Mehr als drei Monate nach dem Mord gibt es noch keine Ergebnisse? Die Tochter fragt sich, warum das so lange dauere. Und: irgendwie glaubt sie auch das der SK nicht mehr. Sie hat den Eindruck, die Ergebnisse würden ihr und ihrer Familie nur vorenthalten, um sie - nach außen hin scheinbar berechtigt - weiter verdächtigen und schikanieren zu können.
Womit ihre Mutter stranguliert worden sein kann? Die Tochter schaut mich entsetzt an. Von Strangulation sei bislang nie die Rede gewesen.
Schmuck, Geld und Sparbuch verschwunden
Es gäbe da aber noch ein anderes Ermittlungsdetail, was sie ebenfalls sehr befremde. Sie wisse, dass ihre Mutter am Tattag mindestens 200 € bei sich gehabt habe. Dieses Geld habe man bei der Ermordeten nicht gefunden. Darauf habe sie mehrfach hingewiesen, obwohl die Polizei sie gleich wieder verdächtigt habe, mit diesem Hinweis wolle sie doch nur "wieder" von Vater und Freund ablenken.
Sie frage sich, warum die Polizei dieses verschwundene Geld nicht interessiere. Es interessiere sie auch nicht der aus der Wohnung verschwundene Schmuck – jedenfalls nicht mehr seit geklärt ist, es war nicht der Schmuck ihrer ermordeten Mutter. Es war der Schmuck ihres Vaters, den er von seiner Mutter geerbt hatte.
Sehr wohl interessierte sich die Polizei dagegen für das zunächst ebenfalls unauffindbare Sparbuch ihrer Mutter. Sie haben es später im Spalt zwischen einer Kommode und der Wand gefunden – sie, die Hinterbliebenen, nicht die SK während der Hausdurchsuchung.
Dieses zunächst unauffindbare Sparbuch habe die Phantasie der Ermittler mächtig beflügelt. Sie nahmen es als ein weiteres Indiz dafür, dass der Vater ihre Mutter umgebracht habe: Er habe an das Geld gewollt. Sie aber habe es ihm freiwillig nicht gegeben. Dies, obgleich der Vater wie die übrigen Erwachsenen der Familie jederzeit mit dem Sparbuch in der Hand das Sparguthaben bei der Bank hätten abheben können. Das jedenfalls wurde der Tochter in der Bank gesagt. Das hätte auch die SK mit Leichtigkeit ermitteln können.
Oder wollte sie es nicht, weil sie unbedingt wenigstens ein handfesteres Tatmotiv für den von ihr verdächtigten Ehemann und den Freund der Tochter in den Händen halten wollte?
Aber wie auch immer. Auch in diesem Teil der Ermittlungserzählung der SK findet sich wieder diese Figur aus schlechten Romanen. Es lässt sich die geizige und hartherzige Reinemachfrau erkennen, die ihren Mann knapp hält – also das stereotype Bild einer Frau, die die männliche Würde mit Füßen tritt und damit die Motivation für den ach so geschundenen Mann schafft, erst dem Alkohol zu verfallen und sie dann endlich nach vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen ganz ins Jenseits zu befördern.
Wir befinden uns hier aber nicht in der Handlung eines billigen Romans mit stereotypen Männerphantasien. Wir befinden uns stattdessen mitten in grausamer Realität. Aber das muss die SK wohl erst noch begreifen.
Ernster zu nehmen ist dagegen die Frage, wie sich der oder die Täter Zutritt zur Wohnung der Familie hat verschaffen können, wenn man davon ausgeht, dass niemand aus der Familie oder der Freund der Tochter den Diebstahl des Schmucks begangen hat.
Die Tochter nimmt an, der oder die Täter hätten einen Wohnungsschlüssel bzw. eine Nachbildung gehabt. Eine Nachbildung habe man leicht anfertigen können. Ihre Mutter habe ihren dicken Schlüsselbund während ihrer Putzdienste immer in ihrer Handtasche oder in ihrem Beutel gehabt. Unbefugte hätten den Schlüsselbund unbemerkt an sich nehmen, Abdrücke machen und den Schlüsselbund zurücklegen können. Es könnten aber auch Profi´s gewesen sein, die ein einfaches BKS-Schloss im Handumdrehen knacken – ohne irgendwelche Einbruchsspuren zu hinterlassen. Möglicherweise, sinnt sie weiter, haben der Mord an meiner Mutter und der Klau des Schmucks aus unserer Wohnung aber auch nichts miteinander zu tun und es war unbemerkt eine der Personen, die mir am Nachmittag und frühen Abend des Tattages geholfen haben, meine Mutter zu suchen.
Der familiäre Aufbaukredit
Für die heißeste der genannten Geldspuren hielte die SK die Tatsache dass Frau Tabbo ihrem künftigen Schwiegersohn einen Zuschuss von 3000 € geliehen hat, damit er sich mit einem Geschäft selbstständig machen konnte. Nur – das war kein Geheimnis. Das war in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis der Familie bekannt. Niemand habe daran Anstoß genommen. Es sei ja auch nicht unüblich, dass Eltern ihren Sprösslingen und/oder künftigen Schwiegerkindern auch finanziell unter die Arme greifen, damit sie sich eine berufliche Zukunft aufbauen können.
Weshalb aber, fragt sich die Tochter erneut empört, konstruiert die Kripo auch aus einem völlig normalen, familiär gegebenen Aufbaukredit ein Mordmotiv? Warum glaubt die Kripo auch hier wieder angeblichen Zeugen, die von einem sehr viel höheren Kredit für den künftigen Schwiegersohn fabelten als dem tatsächlich gegebenen in Höhe von 3000 €? Ja, warum. -
Schemen und Schemata
Alkohol, Gewalttätigkeit, Schläge, Streit, zerrüttetes Ehe- und Familienleben, Geiz, Kreditnahme und Habsucht, das scheint tatsächlich und offenbar alles, was die SK bei ihren bisherigen Ermittlungen zum Mord der Vebronia Tabbo auf ihrem geistigen Schirm gehabt hat - und leider wohl immer noch darin herumirrt.
Die Parallelen zu den polizeilichen Unterstellungen und entsprechenden Fehlermittlungen wie sie in den vielen Fällen der Morde des sog. Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) angestellt wurden, fallen dabei allerdings sofort ins Auge.
Wie bei diesen werden auch im Mordfall Vebronia Tabbo die Angehörigen und der Freund der Tochter verdächtigt, den Mord begangen zu haben. Der Freund der Tochter stammt wie die Familie Tabbo aus Syrien.
Nach einem verdeckt rassistisch-nationalistischen Schema geht man auch hier wohl davon aus:
Türken morden Türken (NSU) und Syrer morden Syrer (Mordfall Tabbo).
Das alles überdacht, wird mir klar, was das "Netzwerk kritischer Migrations- und Grenzregimeforschung" in ihrer jüngst an den Deutschen Bundestag gerichteten Petition mit dem Begriff "virulenter Rassismus " gemeint hat. Die Professorin für Kulturanthropologie und Migrationsforschung an der Universität Göttingen und Mitzeichnerin der Petition, Sabine Hess, formulierte es gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ vom 6. September 2013, S. 11) so:
"Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) konnte jahrelang morden, weil die Polizei einfach nicht an einen mörderischen Rassismus geglaubt hat. Stattdessen hat man die Morde perfiderweise den migrantischen Milieus selbst angedichtet."
Für die Hinterbliebenen der Vebronia Tabbo ist es schrecklich, um nicht zu sagen, fast unerträglich geworden. Der Mann hat seine Frau, die Kinder ihre Mutter verloren. Der Schmerz ist groß. Der Mord an Mutter und Ehefrau allgegenwärtig. Die allseits geäußerten Verdächtigungen und üblen Nachreden jedoch vergrößern den Schmerz der Hinterbliebenen um ein Vielfaches. Mehr noch, sie haben zu so etwas wie einem sozialen Ausschluss der Angehörigen der Ermordeten in Altenstadt geführt:
Wer will schon mit Leuten zu tun haben, die von der Polizei seit Monaten immer noch des Mordes verdächtigt werden, von ihr aber augenscheinlich nicht so ´zu packen´ sind, dass man es ihnen nachweisen und sie ins Gefängnis werfen kann? Ausländer zumal, denen ja sowieso vieles (und noch mehr) zuzutrauen ist?
Ich meine: Es ist dieses gedankenlose Denken, was das sozialpolitische Klima vergiftet und wirkliches Nachdenken verhindert.
Wer profitiert?
Zu fragen ist doch auch und vor allem:
Wer will, dass Flüchtlinge und vor Verfolgung Schutz Suchende aus anderen Ländern, hier bei uns desintegriert werden und wir sie als Feinde betrachten – zumal Menschen, mit denen wir uns gut verstehen bzw. gut verstanden haben wie eben mit der in Altenstadt allseits bekannten und beliebten Vebronia Tabbo und deren Angehörige?
Wer will, dass alle diese Menschen mit Verdächtigungen überzogen werden und wir sie plötzlich nur noch mit großem Misstrauen betrachten – möglichst nur noch von der anderen Straßenseite aus?
Wer möchte eben alle diese Menschen am besten schon heute aus dem Land werfen? Wer neidet es ihnen, dass unser aller Gemeinwesen sie nicht verhungern lässt und sie finanziell zumindest für das Grundlegendste zum Überleben unterstützt?
Und, auch das sei bedacht und ganz konkret auf die ursprüngliche syrische Herkunft der Ermordeten, ihrer Familie und Freund der Tochter bezogen: Wer hat ein Interesse daran, dass die Politik entscheidet, es sollen keine weiteren syrischen Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden?
Man denke dabei vor allem an die Hetzparolen, die die NPD dieser Tage überall plakatiert – staatsanwaltschaftlich ungehindert, trotz vieler Strafanzeigen wegen Volksverhetzung.
"Maria statt Scharia" heißt es da, und, Geiz ist ja so geil: "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma" (als hätten Sinti und Roma keine Oma) oder, noch schlimmer:
"Sicher leben. Stoppt die Asylflut".
Und last but not least:
Wer will an Bomben, Panzern, Drohnen und Patronen für den nahen und fernen Osten verdienen, will hohe Renditen erzielen und Kosten hier vermeiden?
Sich auf das Selbstverständliche besinnen - Nachdenken ist angesagt, auch Erforschung der eigenen Gefühle. Wollen auch wir selbst vielleicht gar nicht wirklich wissen, wer der oder die Mörder von Vebronia Tabbo waren? Glauben wir vielleicht sogar insgeheim, der aufgedeckten Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu können, weil sie zu schrecklich ist und uns zu sehr aufstören könnte? Dient es am Ende unserer eigenen Bequemlichkeit und unserem eigenen Alltagsrassismus, im Ehemann und dem Freund der Tochter unbedingt - koste es, was es wolle - die Mörder sehen zu wollen? –
Können wir wirklich nicht etwas mutiger sein und den Angehörigen der ermordeten Vebronia Tabbo Trost und Unterstützung geben? -
Sie sind unsere Nachbarn, im engeren wie weiteren Sinn. Wir sollten sie nicht noch mehr verletzen – durch üble Nachrede, Nachplapperei und Gedankenlosigkeit, haltlose Verdächtigungen, unbegründete Distanzierung und sozialemotionale Kälte. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch und besonders für die ermittelnden Beamten der SK.
Von ihr fordern wir und können wir auch mit Fug und Recht eine gut durchdachte und vorurteilsfreie, nicht rassistische Aufklärung dieses so schlimmen Gewaltverbrechens fordern, Rücksichtsnahme auf die trauernden Angehörigen und auch keine weiteren Verdachtsschöpfungen nach dem amtlichen Erledigungsdenken der modernsten Art: Hauptsache, wir haben Leute festgenagelt, von denen wir behaupten können, wir hätten sie des Mordes überführt. Ob es die wirklichen Täter sind, wissen wir nicht. Es ist uns auch egal. Sollen sich doch die Gerichte damit beschäftigen. Uns fehlen dazu Geduld und Personal.
Denken wir daran.
In der Wetterau und in angrenzenden Gebieten laufen Mörder frei herum, die möglicherweise auch die junge Schülerin afghanischer Herkunft, Solmaz Obeidi, (2012) und die bis heute verschwundene aus der Türkei stammende Sultan Sentürk aus Erlensee (2013) auf dem Gewissen haben.
Nachtrag vom 18. September 2013
Kurz nach Erscheinen dieses Artikels und darauf basierender Beiträge in Wetterauer Regionalzeitungen suchte die SK die Tochter und den Vater der Ermordeten erneut auf. Zum Vater gewandt, meinte der Vertreter der SK, er habe noch einige wenige Fragen und dann seien die Ermittlungen gegen ihn, den Vater, abzuschließen. Das ist wohl mittlerweile geschehen.
Zur Tochter habe er - sinngemäß - gemeint, sie hätte ihr, der SK doch sagen sollen, das sie das alles nicht mehr aushalte. Sie hätte sich nicht an die Presse wenden müssen oder sollen. Die SK hätte in jedem Fall ein offenes Ohr für sie und ihre Probleme gehabt.
War das eine Entschuldigung der SK? Wenn man sehr wohlmeinend ist, könnte man es fast so werten. Nach typisch deutscher Altmännerart kann offenbar auch diese SK nicht zugeben, dass sie hier erhebliche Fehler gemacht hat.
Warum scheut sie eine ehrliche und offen herausgesagte Entschuldigung? Warum verbirgt sie sich hinter erneuten Anwürfen gegen jene, die sie in den vergangenen Monaten so drangsaliert hat?
Verglichen mit den Berichten aus dem Abschlussbericht des Ausschusses des Deutschen Bundestages (letzte Legislaturperiode) zur Untersuchung der NSU-Morde fallen jedenfalls die Ähnlichkeiten zwischen den Vorgehen der polizeilichen und geheimdienstlichen Ermittlungsbehörden im Falle der NSU-Morde und des Mordes an Frau Tabbo sehr unangenehm ins Auge -
Altenstadt-online, Sommer 2013
Altenstadt, 28. Mai 2013
Altenstadt trauert
um Vebronia Tabbo
"Trauer, Entsetzen und Wut" titelt die WZ am 28. Mai 2013. Doch "Wut" auf was oder wen? Gerüchte wabern durchs Dorf. Der Ehemann sei verdächtig. Die Kripo habe ihn am Abend des 27. abgeführt und in U-Haft gesteckt. Es habe innerfamiliäre Probleme schon seit langem gegeben. Der Schwager, Schreiereien, und Frau Tabbo selbst, so temperamentvoll, so aufbrausend und geschwätzig. Nett, sehr nett und sehr hilfsbereit sei sie ja gewesen. Zu hören ist aber auch: Frau Tabbo habe an ihrer Arbeitsstelle Dinge gehört, die sie besser nicht gehört hätte. Auch das ist eine der Versionen.
Schauen wir uns die Gerüchte genauer an, zeigt sich: Es sind mehr oder weniger Phantasien aus Seifenopern und den ARD-Tatorten der billigeren Art: 90 % aller Morde sind Beziehungstaten, also selber schuld. Oder: jemand hat eben zu viel gewusst und musste deshalb sterben. Witze darüber gab es schon in den 70er Jahren des 20.Jahrhunderts, so alt wie Methusalem (und abgeschmackt) ist auch das.
Angenommen 90% aller Tötungsdelikte sind tatsächlich Beziehungstaten - wie ARD-Tatkommissare seit jeher behaupten. Was ist dann aber mit den restlichen 10%? Wie in den NSU-Mordtaten denkt ´man´ dabei zuerst an Mafia, illegalen Drogenhandel, Diebstahl, Hehlerei, Beseitigung unliebsamer ZeugInnen. Mord aus rassistischen, möglicherweise sogar antiweiblichen Gründen aber? Wer so was auch nur denkt, gilt schon als paranoide/r VerschwörungstheoretikerIn.
Die Aufdeckung der Neonazi-Morde an den neun ehemals türkischen und dem einen ehemals griechischen Bürger dieses Landes hat daran im Alltag leider nichts verändert.
Der Mord an Vebronia Tabbo ist nun aber nicht der erste ungeklärte Todesfall an einem weiblichen Menschen in Altenstadt. Vor etwas mehr als einem Jahr, in der Nacht vom Faschingsdienstag auf Aschermittwoch 2012 kam die 17Jährige Solmaz Obeidi aus ungeklärter Ursache zu Tode. Man fand sie auf den Gleisen des Stockheimer Lieschen – die Bahn hatte sie überfahren. Doch merkwürdigerweise fand sich, so die Mutter und ein anderer Zeuge, weder an der Lok noch am Unterbau der Waggons Blut.
Auf diesen ungeklärten Todesfall 2012 und einen möglichen Zusammenhang mit der Bluttat an V. Tabbo 2013 machte der "Altenstädter Freundeskreises für Flüchtlinge e.V." in einem kurzen Leserbrief und einer weiteren Zuschrift mit Hintergrundinformationen an den "Kreisanzeiger" aufmerksam:
Leserbrief
“Sehr geehrte Damen und Herren, mit Entsetzen habe ich erfahren, dass die Altenstädterin, Frau G. (Vebronia) Tabbo, im Rommelhäuser/Höchster Wald tot aufgefunden wurde. Im Namen des Altenstädter Freundeskreises für Flüchtlinge e.V. möchte ich der Familie unser aller Beileid aussprechen. Die Mordtat ist unerträglich und sie verbreitet Angst, nicht nur unter Flüchtlingen.
Leider ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine rassistisch motivierte Tat handelt. Darauf möchte ich explizit hinweisen und zwar aus folgendem Grund: Vor etwas mehr als einem Jahr, im Spätwinter 2012, fand man die 17jährige Afghanin, Solmaz Obeidi, tot und übel zugerichtet, auf den Gleisen der Bahn, unweit des Wohngebäudes für Flüchtlinge in Altenstadt. Obgleich nichts auf einen Selbstmord der Schülerin hinwies, wartete die Wetterauer Polizei sehr schnell damit auf. Anders die Staatsanwaltschaft. Nach der Obduktion kam sie zu dem Schluss, es könne weder ein Verbrechen noch eine Selbsttötung bestätigt werden; der Körper sei zu beschädigt. Weitere Ermittlungen stellte aber auch sie nicht an. Sie schloss die Akte.
Das Verbrechen an Gourie (Vebronia) Tabbo lässt es nun als denkbar erscheinen, dass es sich - wie im Falle der Mordtaten der NSU - um eine rassistische Mordserie im Anfangsstadium handelt. Ich fordere deshalb die Zuständigen auf, jetzt auch im Fall von Solmaz Obeidi neu zu ermitteln.”
Dr. A. Vogel, Vorstandsvorsitzende des Altenstädter Freundeskreises für Flüchtlinge e.V.
Und hier der vollständige Text –
Hintergrundinformation zum Leserbrief:
Altenstadt, 27.05.013
Sehr geehrte Redaktion,
soeben habe ich eine stark gekürzte Version meines Leserbriefs bezüglich des Artikels "Vermisste tot aufgefunden" in der heutigen Lokalausgabe des Kreisanzeigers an Sie abgeschickt.
Da es sich ja nun um eine sehr ernste Angelegenheit handelt, greift dieser Text leider etwas zu kurz. Deshalb möchte ich Ihnen auch den vollständigen Text mit einigen wichtigen Hintergrundinformationen zusätzlich übersenden, so dass Sie sich ein wirkliches Bild machen können.”
Hier nun der vollständige Text, dessen Mitteilteil im Leserinnenbrief fehlt:
Redaktion des Kreisanzeigers
Büdingen per Mail:
“Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Entsetzen habe ich erfahren, dass die Altenstädterin, Frau G. (Vebronia) Tabbo, im Rommelhäuser/Höchster Wald tot aufgefunden wurde. Im Namen des Altenstädter Freundeskreises für Flüchtlinge e.V. möchte ich der Familie unser aller Beileid aussprechen. Die Mordtat ist unerträglich und sie verbreitet Angst, nicht nur unter Flüchtlingen.
Leider ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine rassistisch motivierte Tat handelt. Darauf möchte ich explizit hinweisen und zwar aus folgendem Grund:
Vor etwas mehr als einem Jahr, in der Früh des Aschermittwoch 2012, fand man die Leiche der 17jährigen Solmaz Obeidi, gebürtige Afghanin und im Iran aufgewachsen, tot und übel zugerichtet, auf den Gleisen der Stockheimer Lieschens, unweit des Wohngebäudes für Flüchtlinge in Altenstadt. Dort wohnte sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Obgleich nichts auf einen Selbstmord der Schülerin hinwies, wartete die Wetterauer Polizei sehr schnell damit auf. Anders die Staatsanwaltschaft. Nach der Obduktion kam sie zu dem Schluss, es könne weder ein Verbrechen noch eine Selbsttötung ausgeschlossen werden; der Körper sei zu beschädigt. Weitere Ermittlungen stellte aber auch sie nicht an. Solmaz Obeidi war - das sagten die LehrerInnen, die MitschülerInnen, die Bewohner des Wohnhauses für Flüchtlinge und alle, die sie kannten - ein fröhliches und sehr hilfsbereites junges Mädchen, gut in der Schule und weltzugewandt. Am Abend vor ihrem Verschwinden war sie nach einer kleinen Auseinandersetzung mit ihrer Mutter spazieren gegangen. Per Handy hatte sie zu Hause noch mitgeteilt, sie käme gleich zurück. Sie sei schon auf dem Weg von Oberau nach Altenstadt. Das berichtete uns die Mutter später - uns: das war eine Übersetzerin aus dem Afghanischen und ich, die ich als Vorstandsvorsitzende des Altenstädter Freundeskreises der Familie Obeidi unser Beileid persönlich überbracht hatte.
Da mich der Tod von Solmaz so beunruhigte, stellte ich eigene Recherchen an. Die Mutter hatte mich auch dazu bevollmächtigt, einen anderen Rechtsanwalt zu bestellen, um Akteneinsicht zu nehmen.
Ich war sehr überrascht, als mich der bislang bestellte Rechtsanwalt aus Darmstadt, anrief, ein ehemals iranischer Staatsbürger. Er forderte mich auf, "die Sache aufzugeben". In der Akte der Staatsanwaltschaft sei kein Hinweis auf ein Tötungsverbrechen zu finden. Doch stellte sich im Laufe des für mich wenig erbaulichen, mit Drohungen und harschen Anwürfen mir gegenüber geführten Gesprächs heraus: dieser Anwalt der Mutter - er war ihr wegen der Sprachprobleme von der Polizei empfohlen worden - hatte die Akte nur ´überflogen´.
Auch er und später eine Mitarbeiterin der Wetterauer Behörden versuchten, die Mutter davon zu überzeugen, ihre Tochter habe Selbstmord begangen.
Im Juni 2012 rief mich diese Mitarbeiterin der Wetterauer Behörden an, um erstens eine Bestätigung von mir zu bekommen, dass ich der Mutter für ihren Wegzug aus Altenstadt die Maklergebühren bezahle und mir zweitens mitzuteilen, dass mir die Mutter die Vollmacht entziehe, einen anderen Rechtsanwalt mit dem Antrag auf Akteneinsicht zu beauftragen oder sonst wie weiter zu recherchieren. Die Entzugsbestätigung der Mutter erhalte ich postalisch.
Sie kam jedoch nie.
Von afghanisch-iranischen Vertrauten der Mutter erfuhr ich später, dass auch die Sache mit den Maklergebühren erfunden war.
Der Tod der Solmaz Obeidi ist bis heute nicht aufgeklärt, die Akte geschlossen.
Das Verbrechen an Gourie (Vebronia) Tabbo lässt es nun aber als nicht ausgeschlossen erscheinen, dass es sich hier - wie im Falle der Mordtaten der NSU - um eine Mordserie im Anfangsstadium handelt, die sich vor allem gegen (weibliche) Menschen aus anderen Weltgegenden richtet.
Es ist mehr als merkwürdig, dass ich a) im Todesfall der Solmaz Obeidi derart unter Druck gesetzt worden bin und b) sowohl die Wetterauer Polizei als auch die Staatsanwaltschaft keine weiteren Ermittlungen angestellt hat, schon gar nicht Richtung einer rechts motivierten Mordtat.
Dies, obgleich eine ganze Reihe Neonationalsozialisten in Stadtteilen von Altenstadt wohnen und in Oberhessen ihr Unwesen treiben.
Trotz fehlender Hinweise hat sie stattdessen die Selbstmordversion in Altenstadt verbreitet, vor allem unter der Lehrerschaft der Altenstädter Limesschule. Die Einreden von Mutter und Geschwistern der Getöteten denunzierte sie – wie schon zuvor der Darmstädter Rechtsanwalt - als psychische Unfähigkeit, sich die Realität zerrütteter Familienverhältnisse als Ursache für den Selbstmord von Solmaz einzugestehen.
Auch das erinnert sehr an die Vorgehensweisen von Polizei und Verfassungsschutz im Fall der NSU-Täter, die Getöteten, deren Angehörige und deren Umwelt als Schuldige anzusehen. Ich fordere deshalb die Wetterauer Kripo und die zuständige Staatsanwaltschaft auf, die Akten über den Tod der Solmaz Obeidi wieder zu öffnen. Es wäre zu ermitteln, ob es sich bei dem Mord an der Altenstädterin Gourie Tabbo nicht um einen Einzelfall handelt, sondern Solmaz Obeidi das erste Opfer war. Die Überlegung, dass weitere Tötungsdelikte bzw. Morde folgen könnten, ist schließlich auch nicht von der Hand zu weisen.
Siehe (u.a.) Tat-Serie der NSU.”
Dr. A. Vogel, Vorstandsvorsitzende des Altenstädter Freundeskreises für Flüchtlinge e.V.
Altenstadt, den 27. Mai 2013