Freispruch für Bashar G.

Am 18. März 2015 sprach das Hanauer Landgericht unter dem Vorsitz des Richters, Dr. Grasmück, den Altenstädter Bashar G. vom Vorwurf frei, Vebronia Tabbo ermordet zu haben. Die Tat könne dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden.

Keinen Zweifel ließ das Gericht allerdings daran, dass es gleichwohl Bashar G., insbesondere aber den Ehemann der Ermordeten, für schuldig halte. Das Gericht habe es eben nur nicht beweisen und damit der Gerechtigkeit nicht dienen können. Bashar G. müsse eben sehen, ob er in seinem zukünftigen Leben damit zurecht komme, ein Mörder bzw. ein Helfer des Mörders gewesen zu sein. Mit "Mörder" meinte das Gericht den Ehemann der Ermordeten und damit einen völlig unbescholtenen Menschen. Man bedenke: Weder hatten die polizeilichen Ermittlungen noch das gesamte Gerichtsverfahren irgendeinen Hinweis darauf ergeben, dass der Ehemann der Mörder war oder gewesen sein könnte.

Ein deutsches Strafgericht betreibt keine üble Nachrede? Es begeht auch keinen Rufmord?

Wer das glauben mag, der wurde an diesem Tag der Urteilsverkündung im Mordfall Tabbo eines Besseren belehrt. Selbst das erst im Februar 2015 am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg, ergangene Urteil hielt das Hanauer Landgericht unter dem Vorsitz des Richters Dr. Grasmück nicht davon ab, mündlich von einem Freispruch zweiter Klasse für Bashar G. zu fabulieren - und zwar ausdrücklich.

Freisprüche zweiter Klasse kann es nicht geben (EuGHfM)

Der Europäische Menschengerichtshof hatte es für ein rechtswidriges Verhalten der Strafgerichtsbarkeit befunden, Freisprüche zweiter Klasse zu verkünden. Reichten Beweise und Indizien nicht hin, um eine angeklagte Person der Straftat zu überführen, die man ihr vorwerfe, handele es sich um Spekulationen und Unterstellungen. Ein Gericht dürfe aber nicht spekulieren, nicht unterstellen und als wahr ausgeben, was es sich mal so denkt, vorstellt oder gar wünscht. Entweder es kann einem Angeklagten eine Tat nachweisen oder eben nicht.

Kann es das nicht, hat der Beschuldigte als unschuldig zu gelten.

Dem Fass den Boden ausgehauen

Dass die Strafkammer des Hanauer Landgerichts den Ehemann der Ermordeten während dieser Urteilsverkündung des Mordes an seiner Ehefrau beschuldigte, hieb dem Fass allerdings völlig den Boden aus. Hier wurde in der Urteilsbegründung ein bis dato völlig unbescholtener Mann, der nicht angeklagt war, um seinen guten Ruf gebracht und konnte sich nicht wehren. Hinweise auf den Ehemann hatte es keine gegeben, so dass der SOKO Friedberg während ihrer Mordfallermittlungen richterlich noch nicht einmal erlaubt worden war, die Kommunikation des Ehemannes überwachen zu dürfen.

Von der Möglichkeit, Beweise unterschieben zu können

Nach diesen Kriterien, und das sei hier noch einmal wiederholt, hätte auch Bashar G. von der SOKO Friedberg nicht abgehört werden dürfen.  Dass es dennoch dazu kam, war sozusagen der Beginn der Rechtswidrigkeiten im Falle der Ermittlungen im Mordfall Tabbo und der Anklage gegen Bashar G., Vebronia Tabbo ermordet zu haben. 

In den letzten Wochen vor der Urteilsverkündung hat im Übrigen genau das eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, denn: die dabei mitgeschnittenen Telefonate und Unterhaltungen waren rechtswidrig erhoben worden, weil es nicht einen belastbaren Hinweise darauf gab, dass Bashar G. Vebronia Tabbo ermordet haben oder aber an ihrer Ermordung wesentlich beteiligt gewesen sein könnte. Die Genehmigung war irrtümlich und nach dem Motto ergangen: Wir haben jetzt zwar weder Hinweise noch Beweise, doch guckt doch mal, ob ihr, also die SOKO, übers Abhören und Belauschen die Hinweise und Beweise findet, die wir eigentlich bräuchten, um eine rechtmäßige Bespitzelung im Rahmen der Mordfallermittlungen genehmigen und den Mann anklagen zu können.

Nicht gerichtsverwertbar

Denn und das war das Entscheidende, da rechtswidrig erhoben, hätten diese Abhörprotokolle gerichtlich auch nicht verwendet werden dürfen. Da sich die Anklage gegen Bashar G. nun im Kern allein auf Abgehörtes bzw. dessen (ein Schuft der Böses dabei denkt) unglaublich fehlerhafte Übersetzung bezog, brach damit die gesamte Beschuldigungs- und Beweisargumentation von Staatsanwaltschaft und Gericht in sich zusammen. Hätte das Gericht Bashar G. verurteilt, hätte der gesamte Prozess in der ersten Instanz neu aufgerollt werden können - und genau das zu beantragen, hatte der neue Verteidiger des Bashar G. dem Gericht angekündigt.

Rache oder Kalkül?

Was für eine Blamage für diese Strafkammer des Landgericht Hanau, insbesondere aber für Richter Grasmück und Staatsanwalt Pleuser.

Entsprechend haben sie sich am Angeklagten und dem Ehemann der Ermordeten gerächt - jedenfalls will es so scheinen. Doch das täuscht. Die mündlich verkündete Urteilsbegründung dieser Strafkammer des Hanauer Landgerichts dürfte einen für die Justiz sehr viel wichtigeren Zweck erfüllt haben. Sie lieferte die Begründung dafür, dass Polizei und Justiz damit die Akte des Mordopfers Vebronia Tabbo schloss. Weitere Ermittlungen, so das Gericht, würde es nicht mehr geben. Das schien logisch, denn, das Gericht hatte ja hinlänglich kund getan, wen es nach wie vor für die Täter hält. Warum also Mörder draußen suchen, wenn sie doch im Gerichtssaal saßen, die jetzt aber - oh Jammer, oh Not, du armer Rechtsstaat - nicht verurteilt werden konnten?

Der eigentliche Skandal im Skandal.

Ein Gericht behauptet, die Mörder zu kennen, aber nicht verurteilen zu können, dafür seien die Hürden des Rechtsstaats zu hoch.

Derweil laufen die wirklichen Mörder, also mutmaßlich die, deren DNA an dem Totschlagknüppel und der Kleidung von Frau Tabbo labortechnisch gesichert werden konnte, draußen frei herum und lachen sich möglicherweise ins Fäustchen wie z.B. mehr als ein Jahrzehnt die Nazibuben des NSU und anderer Naziterrorkreise.

Sie können jetzt in der Gewissheit leben, nach ihnen wird nicht gesucht und bereiten - vielleicht - ihre nächste Gewalttat vor? Der Mordfall Tabbo ist ja beileibe nicht der einzige ungeklärte Mord u.a. in der Wetterau. Ich erinnere nur an den ungeklärten Tod der siebzehnjährigen Solmaz Obeidi aus Altenstadt, die man auf den Gleisen der Bahn in der Nähe des Flüchtlingshauses fand. Ihn hatte die Polizei schnell als Selbstmord ausgegeben, obgleich der Fundort der Leiche nicht der Todesort gewesen sein konnte - alles sprach dagegen. 

Bis heute keine schriftliche Urteilsbegründung

Doch ist das Gericht in der Klemme. Wie das, was es mündlich vorgetragen hat, in eine schriftliche Form bringen, ohne sich massiven Ärger zuzuziehen?

Ja, wie?

So mag es nicht verwundern, dass die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts im Mordfall Tabbo bis heute nicht vorliegt - man bedenke: mehr als vier Monate nach der Urteilsverkündung.

 

Altenstadt-online 25.07.2015