Kampf gegen die Ortsumgehungsstraße Altenstadt

- OU B 521

- eine Chronik -

 


Die bisherige Geschichte…. erzählt und dokumentiert von Dr. Werner Neumann (BUND Altenstadt)

 

Vorgeschichte:

Schon seit vielen Jahrzehnten wird von einer Ortsumgehungsstraße für den Ortskern Altenstadt geredet, von manchen auch geträumt. Vor über 30 Jahren gab es sogar einen Architektenentwurf, wie man die Vogelsbergstraße umgestalten, für Bürger/innen und Gewerbe und Handel attraktiver machen könnte. Davon wurde bis auf einen Baum vor der Sparkasse nichts umgesetzt. Damals dachte man, dass durch eine OU das Gewerbe profitieren könne, man auf der Vogelsbergstraße flanieren könnte. Heute hingegen befürchten die Gewerbebetriebe durch die OU einen Rückgang des Umsatzes, bis hin zur Geschäftsaufgabe. Heute zeichnet sich ab: Die OU dient weniger einer gewünschten Ortsberuhigung, die ohnehin nur zu einem Teil eintreten wird, sondern der Schaffung einer durchgehenden Bundesstraßenverbindung von der Autobahn A 45 und Frankfurt. Was in Altenstadt dabei jedoch „unter die Räder“ kommt, ob Natur oder Gewerbe, zählt da nicht. Eher würde die OU einen neuen langen und breiten Streifen von Grundstücken abgrenzen, in dem die weiter bestehenden Pläne für neue Gewerbegebiete und Versilberung von Grünland umgesetzt werden könnten.

Ob eine Verkehrsentlastung in der Vogelsbergstraße eintreten würde, ist fraglich. Die Durchschnitts- oder Gesamtwerte für einen Tag sagen da nicht viel aus, denn es gibt zwei ausgeprägte Spitzenwerte der Fahrten im Berufsverkehr.

Lastkurve Vekehrsaufkommen V-Strae 2014-002

(Angaben in Fahrzeuge pro Stunde)

In der Zeit zwischen 20 h und 6 h bringt die OU kaum eine Entlastung, es ist ohnehin kaum Verkehr auf der B 521. Sicherlich können mit der OU die Spitzenbelastungen im Berufsverkehr reduziert werden, aber der Verkehrsplaner Wulf Hahn weist darauf hin, dass ein Großteil der derzeitigen Belastung durch örtlichen und regionalen Ziel- und Quellverkehr bedingt ist. Da hilft die OU wenig oder sie lenkt ausgerechnet diejenigen, die in der Vogelsbergstraße einkaufen möchten, außen herum. Besonders stark betroffen wäre die Tankstelle, denn der Durchgangsverkehr würde gezielt an ihr vorbeigesteuert werden. Laut Bürgermeister Syguda müsste man die Tankstelle eben verlagern – aber wohin, das ist völlig unklar und wenn, dann nur auf eigene Kosten des Betreibers von mehreren 100.000 €. Und mit der Tankstelle wäre ebenso die KfZ-Werkstatt bedroht.

Im Jahr 2004 wurde die OU B 521 in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) durch den Deutschen Bundestag aufgenommen. Es wurde als Begründung ein guter positiver Kosten-Nutzen-Faktor angeführt (Kosten 6,8 Mio. €/2,1 km; Faktor = 40).

Der BUND Altenstadt protestierte hiergegen auch gegenüber der damaligen SPD-MdB für den Wetteraukreis, Nina Hauer. Der BUND Bundesverband nahm diesen Protest in seinen Gesamtwiderspruch gegen den BVWP im Jahr 2003 auf.

Am 30.5.2006 fand ein „Scoping-Termin“ zur OU B 521 in Altenstadt zur Diskussion über Inhalt und Umfang einer Umweltverträglichkeitsstudie durch das Amt für Straßenbau ASV Gelnhausen (heute umbenannt in HessenMobil) statt. Die Verkehrsanalyse sei im Jahr 2005 erfolgt, hieß es. Doch, die Verkehrsuntersuchung von Dorsch Consult wurde erst im Jahr 2009 fertiggestellt, aber nicht öffentlich vorgelegt. Jetzt zeigt sich, HessenMobil ging 2005/2009 von einem zu hohem Zuwachs des Verkehrs aus. Die Entlastung in der Vogelsbergstraße sollte gegenüber einem mit 20% geschätztem gesteigertem Verkehrsaufkommen ca. 70% betragen. Gegenüber dem realen Verkehrsaufkommen im Jahr 2005 ist es jedoch nur eine Reduktion von 55%.

Chronologie seit 2010

Am 29.3.2010 fand ein „2. Scoping-Termin“ in Altenstadt statt, der auch als „2. Arbeitskreissitzung“ bezeichnet wurde. Die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS - vom Dezember 2009) und der Natura 2000-Verträglichkeitsprüfungen wurden vorgestellt. Dr. Neumann kritisierte für den BUND, dass die Verkehrsuntersuchung nicht bei den Unterlagen war und bat um Zusendung. Das ASV antwortete, dass man die Verkehrsuntersuchungen bei ihnen im Amt einsehen könne. Diese Untersuchung wolle man nicht „nicht unkommentiert“ übergeben.

In dieser UVS steht nun, dass bei „ jedem Planungsfall erheblich nachteilige Beeinträchtigungen bezüglich das Wohl des Menschen betreffender Aspekte zu erwarten sind“ (UVS S.96). Die Südvarianten seien „vorteilhafter“, nicht so gut sei hingegen die zu erwartende Lärmbelastung.

 In der Anlage zur Niederschrift zur Sitzung der Gemeindevertretung am 7.10.2011 wurde über ein Gespräch des Gemeindevorstandes mit dem ASV berichtet. Die Nordtrassen wurden ausgeschlossen, ebenso die Variante  2.1 aus „trassierungstechnischen Gründen“ (Zur Erläuterung: diese Variante geht direkt zwischen Karosseriebau Hensel und Pappelhof hindurch und direkt zur Bundesstraße auf der Höhe des Abzweigs nach Friedberg). Es zeigten sich also schon damals „Detailprobleme“ bei der Anbindung der OU im Westen von Altenstadt sowie der Frage eines Kreisverkehrs im Osten, da auch die Frage, wer das zahlt.

Im Rahmen einer Stellungnahme zum „Strukturgutachten“ der Gemeinde Altenstadt stellte der Gewerbeverein Altenstadt am 18.11.2009 fest, man habe „vor ca. 20 Jahren eine OU sogar befürwortet, denn damals hätten die Einzelhändler noch keine Angst vor einem Einbruch der Kaufkraft gehabt. Heute hingegen befürchten sie ¼ weniger Kaufkraft, falls es zur OU komme".

Im Regionalplan Südhessen 2010 wurde die OU Altenstadt als „Planungshinweis“ (G 5.2-10) erwähnt, d.h. um einen „Vorschlag oder Planungsvorstellung“ und als bisher „unabgestimmte Planung“, da Bedarf und/oder Streckenführung und/oder Umweltverträglichkeit (...) noch nicht geklärt oder nachgewiesen sind“. Über diese Projekte sei im Einzelfall, ggf. im Rahmen eines raumordnerischen Verfahrens zu entscheiden (Regionalversammlung Südhessen, Regionalplan 2010, S. 112,113).

Was den Stand der öffentlichen Information betrifft, so hatte der BUND Altenstadt, nachdem seit dem 1. Scoping im Jahr 2006 keine Informationen erfolgten, am 24.11.2008 gegenüber der Gemeinde Altenstadt und dem ASV um Vorlage des Sachstandes sowie der Ergebnisse der UVS nachgefragt. Die Gemeinde Altenstadt verwies auf das ASV. Das ASV teilte am 15.12.2008 mit, dass man auf Grundlage der Verkehrszählungen (April 2005) nun ein Modell „geeicht“ habe - mit einer Prognose bis zum Jahr 2020. Und weiter „Die gewünschten Untersuchungsergebnisse können aber nicht übergeben werden, da eine Bewertung nur im Zusammenhang mit den UVS II Bewertungsergebnissen zielführend erscheint und noch keine Variantenpräferenzen abgelesen werden können“.

Am 30. September 2012 stellte der BUND Altenstadt über seine Rechtsanwältin einen Antrag auf Informationsübermittlung nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (HUIG). HessenMobil lehnte ab mit der Begründung, die Planung der Varianten sei noch nicht abgeschlossen. Es handele sich noch um Entwürfe. Im Dezember 2012 erhielt der BUND Altenstadt über seine Rechtsanwältin zwei Ordner mit der „Voruntersuchung OU B 521 – Stand 28. November 2012). Neben den Berechnungen und Darstellungen wurden hier - erstmals seit 2004 - neue Kosten genannt. Statt bisher 6,8 Mio. € waren nunmehr 10,61 Mio. € veranschlagt. Neue Feldwege der Gemeinde Altenstadt sowie Umbaukosten für die Vogelsbergstraße waren aber nicht mit einbezogen worden.

In der Gemeinde Altenstadt waren nach dem „2. Scoping-Termin“ 2010 und dem Vermerk aus dem Jahr 2011 seither keine weiteren Aktivitäten zur OU nach außen hin zu bemerken.

Am 6. Dezember 2013 wurde das Thema OU Altenstadt (TOP 28/0460) in der Gemeindevertretung eingebracht. Grundlage war die Vorlage des Gemeindevorstandes vom 30.9.2013  (auf www.altenstadt.de abrufbar) mit dem Votum der Zustimmung zur „Vorzugsvariante 1“. (Verlauf südlich durch die Aue und südlich Emmahof, am Sportplatz vorbei). Am 6.12.2013 wurde beschlossen, zunächst eine Bürgerversammlung durchzuführen. Dargestellt werden sollten auf dieser Versammlung gemäß Beschluss, dass neben den Umweltauswirkungen auch „die Erfahrungen aus Lindheim“ sowie „Darstellung, wie die Vogelsbergstraße umgestaltet werden kann“, besprochen werden.

Während der Bürgerversammlung wurden diese beiden Punkte  aber nicht erörtert.

Beschreibung der geplanten Umgehungsstraße – Abschneiden von Zufahrten und Geschäften.
 

Altenstadt-Ansicht Straenkarte 2014-3

Plan

Von Westen soll die OU-Str. über eine 8 m hohe Brücke über die Bahn geführt werden. Unten rechts liegt der Sportplatz, links unten die Tankstelle. Besonders vom Lärm werden Emmahof, Pappelhof und alle südlich liegenden Grundstücke Altenstadts betroffen sowie das nördliche Oberau. Der Kreisel südlich des Bahnübergangs kann kein Schulweg mehr sein, da weder Ampel noch Zebrastreifen möglich sind. Im Osten folgt wieder eine hohe Brücke über die Bahnlinie und ein weitere Kreisverkehr. Für die Feldwege sollen ebenfalls 8 m hohe Brücken über (!) die U-Str. gebaut werden mit 100 m langen Rampen. Als „Alternative“ – mit gestricheltem Filzstift gezeichnet, schlägt die Gemeinde Altenstadt kilometerlange neue Zufahrten vor, weil sonst Sportplatz, Angelteiche, Kleingärten, Kläranlage nicht mehr erreichbar sind. Geld hat die Gemeinde dafür aber nicht eingeplant. In jedem Fall wird ein langer Riegel mit einer bis zu 1,50 m hohen Böschung zwischen Altenstadt und Oberau geschaffen. (Zeichnung: Bauverwaltung der Gemeinde Altenstadt)  Am 29. Januar 2014 fand eine Bürgerversammlung statt. Der vorgesehene Raum war für die ca. 400-500 Anwesenden viel zu klein, so dass man in die Sporthalle der Altenstadthalle ausweichen musste. Es erfolgten Präsentationen von HessenMobil, der BUND hatte Wulf Hahn von RegioConsult beauftragt, weitere Voten des Naturschutzes (Kurt Jungkind), des Gewerbevereins (Hr. Stehr) gegen die OU folgten. Der Altenstädter Ehrenbürger Karl Winther, der den Auenverbund Wetterau entwickelt und ausgebaut hatte, stellte in einem Schreiben fest, dass sein Lebenswerk bedroht ist und man NEIN zur Ortsumgehung sagen solle. Wulf Hahn RegioConsult 29.1.2014- Präsentation Altenstadt.pdf  Flugblatt: Umgehungsstraße Januar 2014.pdf


Bund für Umwelt und Naturschutz            Naturschutzbund e.V.                                                           

Deutschland – Ortsverband Altenstadt     Gruppe Altenstadt           
Vorstand Dr. Werner Neumann               Vorstand Kurt Jungkind   

BUND-Logo-002  sp; NABU-Logo-002                                                 

 

 

       

Logo Gewerbeverein gegen OU 2014-002

   Brger gegen OU 2014-002

Gewerbeverein                 Bürger gegen Ortsumgehung              

Altenstadt: Vorstand          Norbert Heidke

Hans-Dieter Stehr

Logos der Träger des Bündnisses gegen die OU Altenstadt      


In seiner Präsentation während der Bürgerversammlung am 29.01.2014 wies der Experte Wulf Hahn von RegioConsult aus verkehrsplanerischer Sicht darauf hin, dass die gesamte Verkehrsplanung aus dem Jahr 2005 völlig überholt sei, die Zählungen und Berechnungen müssten erneut durchgeführt werden.

 

BrgerInnenprotest Jan 014

    BrgerInnenversammlung Jan 014

Die Zahlen aus der Verkehrszählung 2005 seien deutlich geringer. Die Prognosen müssten allein schon deshalb überprüft werden. In Puncto überörtlichem Verkehrsaufkommen sei zu berücksichtigen, dass auch die Verkehrsdatenbank RheinMain (VDRM) gerade überarbeitet werde. Man müsse außerdem über das Jahr 2020 hinaus planen. Hahn erörterte auch die ungelösten Probleme im Zusammenhang mit dem geplanten Kreisverkehr südlich des Bahnübergangs. Vor allem diese Probleme beschäftigten auch viele der in großer Zahl erschienenen BürgerInnen - neben vielen anderen der mit der OU verbundenen offenen Fragen.

Am 6. Februar 2014 legte RegioConsult die vom BUND Altenstadt finanzierte Prüfung der Verkehrsuntersuchung der „Dorsch Consult Gruppe“ (vom Juli 2009) vor. Darin heißt es zusammenfassend: „Die vorgelegte Untersuchung von DC Verkehr erfüllt die methodischen Anforderungen, die in der Fachwelt als Standard anerkannt sind, nicht und muss auf der Grundlage aktueller Verkehrserhebungen neu bearbeitet werden. Angesichts der starken Abweichungen zwischen Analysefall und SVZ 2005 ist das Verkehrsmodell grundlegend neu zu erstellen“. Und : "Die Auswertung der Strombündelkarten (also wie die Verkehrsströme sind) zeigt, dass die Belastungen weitgehend lokal durch den Quell- und Zielverkehr verursacht werden, weshalb örtlich nach Alternativen im Umweltverbund gesucht werden sollte. Zusätzlich ist eine möglichst ortsdurchfahrtsfreie und direkte Anbindung des Gewerbegebiets Waldsiedlung an die A 45 in Erwägung zu ziehen.“

siehe: RegioConsult 6.2.2014 Endbericht Verkehrsuntersuchung OU Altenstadt.pdf

Die Sitzung der Gemeindevertretung am 13. Februar 2014 fand unter Teilnahme von ca. 500 BürgerInnen statt. Zuvor hatten sich die Ortsbeiräte am 2.2.2014 in Altenstadt (Kerngemeinde) mit 3:1 und Oberau mit 7:1 gegen den Bau der OU ausgesprochen.

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In der Bürgerfragestunde (Teil der Gemeindevertretersitzung) am 6. Februar wurde darauf verwiesen, dass über 1800 BürgerInnen sich per Unterschrift gegen die OU ausgesprochen hatten. Die Listen wurden Bürgermeister Syguda von Herrn Norbert Heidke von der BI überreicht. Die GemeindevertreterInnen stimmten nicht über die Vorlage des Gemeindevorstands vom 30.9.2013 ab.

Stattdessen brauchten CDU, SPD und FWG–Fraktion einen gemeinsamen neuen Antrag mit folgendem Inhalt  ein:

Der Gemeindevorstand soll mit den vorhandenen und neu einzuholenden Stellungnahmen prüfen, ob eine Anbindung des Gewerbegebiets Waldsiedlung an die Autobahn möglich ist. Weitere Vorgabe ist die Aktualisierung der Verkehrsdaten. Die Variante 2.1 soll erneut geprüft werden. Das Gutachten mit der Lärmbelastung ist darzulegen. Die Umgestaltung der Vogelsbergstraße sollte zeitgleich mit der weiteren Planung erfolgen. Die offenen Fragen von Fußgänger und Fahrradverbindung nach Oberau, Führung der Landwirtschaftswege und der Zuwegung zur Kläranlage sind zu beachten. Ein maßstabsgerechtes Modell zur Veranschaulichung soll erstellt werden. Und die Gemeinde soll bei jedem weiteren Planungsschritt diesen genehmigen. Unter diesen Maßgaben soll die Planung fortgesetzt werden.

Dieser Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 19:11 bei 2 Enthaltungen angenommen. Der Antrag der GRÜNEN auf Aussetzung der Planung bis Alternativen vorgeplant sind, war zuvor mit 11:21 Stimmen abgelehnt worden

Siehe Protokoll unter: http://www.altenstadt.de/gv_altenstadt/Rathaus/Gremien/Gemeindevertretung/Niederschriften/2014-02-13.pdf

Bis in das beginnende Frühjahr hinein veranstaltete die Bürgerinitiative gegen die OU, unterstützt von den Natur- und Umweltschutzverbänden, viele Informationsspaziergänge für BürgerInnen. Der Weg führte entlang der geplanten OU-Trasse. Die Wanderung begann am Sportplatz, führte am Emmahof vorbei und ging über die Hanauer Straße hin in Richtung Reiterhof weiter.

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Das Interesse war sehr groß. Allen Beteiligten wurde vorstellbar, wie radikal sich die Au selbst, aber auch das sich zur Gemeinde hin erstreckende Gelände in Breite und Höhe verändern würden. Die Empörung wuchs hörbar. Dann zieh ich auch Altenstadt weg, sagten vor allem Leute aus Oberau: "Der Lärm, der Gestank, die Hochwasser, so eine Trassengrenze zwischen uns und der Vogelsberger Straße drüben, und wie sollen unsere Kinder überhaupt noch sicher zur Schule kommen? Kann uns das einer sagen? - Was will man dann noch hier." 

Sehr engagiert zeigte sich auch die  NEUE WOCHENPOST für Oberhessen. Ihr gebührt besonderer Dank. Die Umweltschutzverbände konnten ihre Vorstellungen klar darstellen, die Gewerbetreibenden Altenstadts kamen ausführlich zu Wort und die Berichterstattung über nahezu alle Fragen von BürgerInnen zur OU wurde sinnfällig mit Bildern verbunden.

Kurz vor der Gemeindevertretersitzung erschien hier folgende gesamte Seite:

Plakat 2-002Weitere Berichte finden Sie unter www.neue-wochenpost.de unter: http://www.neue-wochenpost.de/fileadmin/Eigene_Dateien/ausgaben/ausgabe26_2014.pdf

BUND e.V. und NABU e.V. wiesen in diesen Wochen in vielen Gesprächen auf die erheblichen und zwangsläufigen Auswirkungen hin, die die OU nicht nur direkt in der Au, sondern in und um Altenstadt herum verursachen wird:

Der Naturschutz im Auengebiet Altenstadt wäre der ganz große Verlierer, legten die Verbände dar. Auch wenn der Bereich, in dem die Straße verlaufen soll, nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, ist er doch ein wesentlicher Teil des gesamten Auenverbundes Wetterau. Sinnigerweise macht ein Schild an der Autobahn auf diesen Auenverbund aufmerksam. Zu diesem Verbund zählen viele Feuchtgebiete entlang von Seemenbach-Nidder-Nidda. Die Wiesen sind teilweise überschwemmt, teils wieder trocken, je nach Wetter und Jahreszeit. Hier siedeln sich vor allem Vögel an, die auf Feuchtigkeit, auf kleine Seen angewiesen sind, Wasservögel oder solche, die dort ihr Futter finden. Kiebitz, Weissstorch, Uferschnepfe, Großer Brachvogel sind nur einige, die hier ihr zeitweise ihr Refugium finden, teils nur rasten, teils bleiben, um zu brüten, und dann im Verbundgebiet der Auen und Naturschutzflächen weiterziehen. Insbesondere der deutliche Zuwachs der Storchpopulation im Bereich der Nidder zeigt, welchen Erfolg diese Naturschutzmaßnahmen hatten. Zudem wurden und werden zahlreiche Abschnitte der Nidder renaturiert. Dort siedeln sich nun auch Biber wieder neu an.

Das Gesagte gelte insbesondere für Altenstadt. Im Bereich des Emmahofes/Pappelhofes/Sportplatz, an dem die OU direkt vorbeiführen soll, gibt es zahlreiche Vögel,  Fledermäuse und andere Kleintiere, u.a. Frösche, Kröten, Schlangen und Eidechsen. Deren Lebensraum werde durch die OU zerstört, ihnen Nahrung und Orte genommen.

Die Gemeinde Altenstadt betone zwar gebetsmühlenhaft, die OU würde ja „nur am Rande“ des Auenbereichs verlaufen. Dort allerdings sind die meisten (fachlich: größten Vorkommen von) Vogel- und Fledermausarten zu finden, und das mit größeren und großen Populationen, die oftmals für die Erhaltung der Arten unverzichtbar sind. Hinzu komme etwas sehr Wesentliches: nämlich die Wasserflächen, die der Bau der OU vernichte. Der Wegfall dieser Wasserflächen sei für uns Menschen wie die Tiere einschneidend. Den Tieren fehlen Feuchte, Brutplätze und Lebensgebiet. Für die Menschen in Oberau und Höchst bringt es eine  Verlagerung der wiederkehrenden Hochwasser mit sich. Auch der Hochwasserschutz für die Menschen, ihre Häuser, Wohnungen und Gärten sowie die Infrastruktur der Orte Oberau, Höchst und weiterer Orte entlang der Nidder ist eine wesentliche Funktion der Niddertalaue.

Altenstadt-Karte 3-002

Dieser Ausschnitt aus der Umweltverträglichkeitsstudie (s.o.) zeigt, dass es im Westen Altenstadts eine Konzentration des Vorkommens von Vogelarten (Wiesenpieper, Rohrammer, Kiebitz, Mittelspecht, Mehlschwalbe, insgesamt 21 gefährdete Brutvögel der ROTEN LISTE, 5 weitere streng geschützte Vogelarten nach § 10 Bundesnaturschutzgesetz und Fledermäusen wie Bechsteinfledermaus, großes Mausohr, Großer und Kleiner Abendsegler, Zwergfledermaus u.a., gibt. Hinzu kommen Frösche, Kröten, Molche im Bereich des „Karl-Winther-Teichs“ und des dortigen Vogelschutzgebiets des Auenverbundes.

Die Konzeption und Umsetzung des Auenverbundes wurde durch zahlreiche staatliche Stellen wie die Gemeinde Altenstadt, den Wetteraukreis und das Land Hessen unterstützt und finanziert. Entwickelt wurde die Idee des Auenverbundes und die gezielte unter Naturschutzstellung der Gebiete durch Karl Winther vom NABU Altenstadt, Ehrenbürger der Gemeinde Altenstadt. Er richtete daher auch am 24.11.2013 einen Appell an die Mitglieder der Gemeindevertretung und den Gemeindevorstand Altenstadts mit dem Hinweis, dass er sich sein halbes Leben mit Freunden im Naturschutz und unzähligen Stunden und Tagen ehrenamtlicher Arbeit für den Erhalt der Feuchtwiesen eingesetzt habe. „Diese Auen sind als Habitat hochsensibler und bestandsbedrohter Vogelarten in ihrer Entwicklung störungsfrei zu schützen“. „Es kann nicht sein, dass diese Bemühungen durch Straßenbaumaßnahmen in den Sand gesetzt werden.“

Er fragte die Gemeindevertreter: “Wollen Sie diesem Wahnsinn wirklich zustimmen?“

Flachwasserteich-002

    Landschaft-Altenstadt OU-002

(Flachwasserteich an der A 45 mit Blick zum Glauberg und Au-Überschwemmung "Altenstadt am See" vom 28.12.2012)

Klar ist auch und zudem: Die Erhaltung der Natur im Auengebiet dient auch der Erholung der BewohnerInnen, der Gäste Altenstadts und der Touristen. Das Auengebiet ist für viele ein Bereich, der durch seine Weite und Ruhe gerne besucht wird. Hinzu kommt, dass sich dort zahlreiche überregionale Fahrrad- und Wanderwege kreuzen und treffen (Vulkan-Radweg, Bonifatius-Route, Apfelwein- und Obstwiesenroute, Limes-Route, BahnRadweg-Hessen). Mit diesem Tourismuskonzept macht die Gemeinde Altenstadt auch Werbung für sich. Mit der Umgehungsstraße würden diese Wege abgetrennt und so zerschnitten, dass sie nicht mehr durchgängig begeh- und befahrbar sind. Die bis zu 8 m hohen Überführungsbrücken will sich die Gemeinde Altenstadt ja „sparen“. Dies bedeutet dann, dass Altenstadt und Oberau, kommt es wie geplant, von einer neuen Art „Limes“ weitgehend getrennt werden. Es gibt keine Sichtverbindung mehr, keine Verbindung mehr für Fußgänger, Radfahrer, Kinder, SchülerInnen, Landwirte oder Wanderer. Nur ein Überweg an einem Kreisel ist geplant und dessen verkehrstechnische Unsicherheit fällt sofort ins Auge.

Es ist kein Geheimnis, dass praktisch alle Anforderungen des Beschlusses der Gemeindevertretung vom 13. Februar 2014 nicht erfüllt oder umgesetzt wurden.

Das war auch nicht der Fall bis zum 6. Juni 2014, als die Gemeindevertreter beschlossen, HessenMobil eine und - dazu - eine weitere Vorzugsvariante anzugeben.

BrgerInnen gegen OU Sommer 014

  G-Sitzung sommer 014    Hahn und Neumann 6-6-014-korr 2

   Bürger protestieren gegen die OU

 Gemeinderatssitzung im Juni 2014

 rechts: Vekehrsexperte Wulf Hahn und Dr. Werner Neumann (BUND).

Damit hat der Gemeindevorstand mit Bürgermeister Norbert Syguda (wie schon in anderen Fällen zuvor) den Beschluss der Gemeindevertretung ignoriert und nicht umgesetzt: Es gibt keine neuen Daten, der Anschluss Waldsiedlung an die A 45 wurde nicht geprüft, sondern nur behauptet, dies ginge nicht. Es gibt auch kein Modell, es gibt keine Darlegung der drohenden Lärmsituation. Ob die Landwirte über 8 m hohe Brücken über die OU fahren sollen oder die Gemeinde auf eigene Kosten neue Wege erstellt und wie die Verbindung nach Oberau erfolgen soll – alles offen, alles offen.

Irgendwelche Antworten? Nichts als Fehlanzeige.

Darauf hat das Bündnis gegen die OU im April in einem Flugblatt ausführlich und gut begründet hingewiesen. Nicht eine Antwort gibt es bislang auch auf den sehr bedrohlichen Umstand, dass sich die Verdrängung der Hochwasser nicht nur in Oberau, in Altenstadt-Höchst und in weiteren Orten wie z.B. Nidderau durch die OU teils sogar sehr schlimm auswirken werden. Das gehört keine starke prognostische Kraft dazu, das voraus zu sagen. Wie schon gesagt: Hochwasser führt die Nidder nicht nur einmal im Jahr -

Am 27. April 2014 informierte das Bündnis gegen die OU die BesucherInnen des Frühlingsfestes der Gemeinde Altenstadt über Sachverhalte und Sachstand. Am 3. Mai 2014 veranstalteten NABU und BUND zum Naturerlebnistag eine Fahrradtour entlang der geplanten Trasse, an der viele interessierte BürgerInnen teilnahmen, aber auch ein Landtagsabgeordneter wie Klaus Dietz (CDU).

Am 23. April bedankte sich das Bündnis gegen die OU bei den BürgerInnen Altenstadts für ihre Beteiligung an den Protestunterschriftenlisten gegen das "Wahnsinns"projekt: "Wir sagten DANKE – Danke für die über 2000 Unterschriften, die Sie bis April 2014 gegen die OU 521geleistet haben." Flugblatt: April gegen OU 23.04.2014 .pdf

Da die Gemeindevertretung die Frage der Anbindung der Waldsiedlung an die BAB A 45 aufgeworfen hatte, und diese Möglichkeit immer wieder abgestritten wurde, ließ der BUND Altenstadt diese Frage durch das Büro RegioConsult untersuchen.

Auch die Gemeinde Altenstadt präsentierte im Mai 2014 eine Vorlage, in der mehrere Möglichkeiten von Auf- und Abfahrten angegeben wurden. Die Gemeinde Altenstadt zeichnete die Auffahrten dort allerdings so an die Autobahn, dass der Eindruck entstand und entstehen musste, diese Variante bedeute einen nicht vertretbar hohen Eingriff in die Umwelt, führte z.B. durch ein südwestlich gelegenes Waldstück oder durch Rand des  Auenbereichs. Wie bestellt regte sich der Gemeindevorstand denn auch heftig darüber auf und betonte die angeblich fällig werdenden „zusätzlich enormen Eingriffe in die Natur“. Zudem schlug die Gemeinde eine Zufahrt durch die Herrnstrasse vor. Die aber ist für PKW-Durchfahrten gesperrt. So ein Vorgehen meint der Volksmund, wenn er spottet:

"Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein."

Das Büro RegioConsult schlug dagegen nach einem Ortstermin eine Anbindung an die Autobahn vor, die auf der östlichen Seite zwischen dem Verbindungsweg nach Hainchen und der Grenze zum Naturschutzgebiet ab- und auf führt. Auf der westlichen Seite könnte diese V-förmig in Höhe des Betriebes Scherz oder im südlichen Bereich liegen. Zwischen der Autobahn und den bestehenden Gewerbegebieten auf Limeshainer Gebiet würde eine Zufahrt zur Unterführung angelegt, deren Durchfahrtshöhe auch für LKW ausreichend ist. Um den Verkehr von Altenstadt und Oberau aufzunehmen, könnte eine kleine Nordumgehung der Waldsiedlung gebaut werden.

Sicherlich wäre eine solche Variante nicht ohne Umwelteingriffe zu realisieren. Sie wären aber weitaus geringer als bei einer Ortsumgehung im Auenbereich. Auch technisch wäre diese Variante sehr gut zu realisieren. Die Finanzierung durch den Bund als auch durch das Land Hessen wäre zudem möglich.

Wesentlich dabei ist allerdings der mehr als missliche Umstand, dass HessenMobil diese Variante bislang nie geprüft, nicht verglichen und nicht in die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen hat. Das ist ein grundsätzlicher Fehler, weil nach dem UVP-GEsetz realistische Alternativen immer zu prüfen sind. Außerdem kommt hinzu, und auch das ist ein wesentlicher Aspekt: die Kosten für diese Lösung mit insgesamt ca. 4,1 Mio. € wären etwa um ein Drittel billiger. Warum der Gemeindevorstand mit HessenMobil im Rücken die sehr viel teurere Variante der OU-Trasse bevorzugen, ist rätselhaft und nicht nachzuvollziehen.  

Vorteilhat wäre es, den Schwerlast- und Lieferverkehr zwischen BAB Abfahrt Altenstadt, Kreisel Altenstadt, Oberauer Kreuz herauszunehmen und den vielen Betrieben in der Waldsiedlung eine bessere Anbindung zu bieten. Ebenso würden auch LKW-Fahrten durch Rommelhausen zur Auffahrt Langen-Bergheim entfallen. Diese Möglichkeit sollte daher des Weiteren immer beachtet werden. RegioConsult 28.04.2014 Ou Waldsiedlung.pdf

Weiter ging es bei der Sitzung der Gemeindevertretung am 6. Juni 2014 – kurz vor Pfingsten, die trotz Ferienzeit mit über 200 Personen gut besucht war. Auch obwohl praktisch kein Auftrag des Beschlusses vom 13. 2. 2014 umgesetzt oder erfüllt worden war, wurde eine Vorlage des Gemeindevorstandes für die Vorzugsvariante 1 zur Abstimmung gestellt. Bezeichnenderweise kam der Gemeindevorstand nicht umhin, sich zunächst über neun (!) Seiten über die guten Argumente gegen die OU auszulassen. (siehe in der Anlage zum Protokoll der Gem.V. vom 6. Juni 2014) So würde das Auengebiet ja nur an „zwei kleinen Bereichen“ tangiert. Es wurden Behauptungen aufgestellt, die seitens BUND, NABU, Gewerbeverein, Bürgerinitiative so nie gemacht wurden, nur um diese dann „zu widerlegen“. Tenor des Gemeindevorstandes: Wir sehen dies anders als das „Bündnis“ (dessen Bezeichnung damit auch erfunden wurde, danke!) und was noch unklar ist, wird irgendwann im Laufe weiterer Planungen geklärt – oder auch nicht.

Dankenswerterweise ließ der Vorsitzende der Gemeindevertretung wiederum eine Präsentation von Wulf Hahn (RegioConsult) zu, in der dieser auf die „Argumente“ des Gemeindevorstandes einging. Sein wesentlicher Rat an die Gemeinde Altenstadt war, sich noch nicht festzulegen, weil die Zählungen und Verkehrsmodelle ohnehin neu gemacht werden müssten und wenn man nun eine Vorzugsvariante plane, man dies u.U. dann alles noch mal neu machen müsse, wenn sich die Eingangsdaten verändern würden.

Und er wies auch darauf hin, dass sogar nach dem Bewertungsverfahren zum Bundesverkehrswegeplan erwähnt wird, dass Ortsumgehungen in ihrem Bereich hohe Standortpotentiale für Gewerbe und Neuansiedlung bieten und die wirtschaftliche Tragfähigkeit des eingesessenen Gewerbes tendenziell zurückgeht und damit negative Städtebauliche Effekte auftreten können. Dies scheint auch mittlerweise ein wesentlicher Zweck der Ortsumgehung zu sein, nämlich im Bereich zwischen (neuer) OU südlich Altenstadts und der Bahnlinie sowie in Verbindung mit dem Reiterhof Messerschmidt (der sich gerne Richtung Aue verlagern würde) sowie anschließend an die Biogasanlage einen breiten STREIFEN für die Ansiedlung von Gewerbe zu schaffen. Die Ortsumgehung würde dafür dann quasi den „Rahmen“ darstellen. Allerdings gibt dies derzeit kein Politiker offen zu.

Der zentrale Rat von Wulf Hahn an die Gemeindevertreter war: Es sind soviele Zählungen und Berechnungen neu zu machen, die Modellbasis hierfür wird im Jahr 2014 erst neu erstellt werden. Sollte eine Neubewertung erfolgen, wären alles bisherigen Planungen „für den Papierkorb“ (und dies auf Kosten des Etats von Altenstadt!). Es ist daher sinnvoll, die Bewertung bis zum Bundesverkehrswegeplan 2015 abzuwarten. RegioConsult  Präsentation 6.6.2014 in Altenstadt.pdf

Vergleich: Erdbewegungen bei Nidderau für die dortige neue Ortsumgehung

Ein „Vorwurf“ des Gemeindevorstandes war, den Gegnern der OU vorzuwerfen, man suggeriere ein Einfräsen der Umgehungsstraße. Allerdings hatte dies niemand behauptet. Hingegen muss im Auengebiet von Altenstadt zwar keine Böschung für die Überführungen für die Landwirte, Radfahrer, Spaziergänger gebaut werden, dafür aber ein tief verfestigtes Fundament. Wie bereits angedeutet, ist der Auen-Untergrund sehr weich und das durch die Hochwasser der Nidder hochtriebene Auengrundwasser drängt nach oben. Wie das Fundament der OU Nidderau beschaffen sein wird, das beschrieb die Wetterauer Zeitung am 31. Juli 2014 sehr anschaulich:

„Im Mittelbereich der 7,3 Kilometer langen Ortsumgehung von B 45 und B 521 wird bereits die 44 Zentimeter dicke Frostschutzschicht aus gebrochenem Stein aufgeschüttet. Zuvor bringen Maschinen ein Spezialgemisch, bestehend aus 30 Prozent Kalk und 70 Prozent Zement, in die Erde ein, um den Unterbau stabil zu machen. Bis zu 200 Tonnen pro Tag werden verarbeitet. Am Ende werden es 20 000 Tonnen Kalk-Zement-Gemisch sein, das aus der Region Fulda nach Nidderau transportiert wird, berichtet Polier Wittenzellner“. OU Nidderau im Bau 2014-2-002

Der Eingriff für die Bauarbeiten im weichen, vernäßten, zeitweilig überschwemmten Auengebiet in Altenstadt würde sich dagegen auch nicht nur auf die mit Böschung 12 m breite Straße beschränken. Davon ist mit Sicherheit auszugehen.

In der Sitzung der Gemeindevertretung fügte ein Gemeindevertreter der CDU dem Beschlussvorschlag „wir sind für Vorzugsvariante 1“ aber noch schnell hinzu, „auch die Variante 2.1.“, obwohl zuvor sowohl HessenMobil als auch der Gemeindevorstand mehrfach mitgeteilt hatten, dass diese Variante baulich ohnehin nicht realisierbar sei aufgrund der zu engen Kurvenführung (so schon im Jahr 2011!). Zudem würde diese Variante mitten zwischen Karosseriebau Hensel und Pappelhof verbunden mit sehr hoher Lärmschutzwand „durchgesteckt“ werden. Aber es scheint in Altenstadt wohl egal zu sein, was man beschließt – weil, es ist ohnehin ja nicht klar, ob Beschlüsse vom Gemeindevorstand umgesetzt werden oder er eher Dinge macht, die nicht beschlossen wurden.

Die GRÜNEN stellten noch den Antrag, dass die Gemeinde auf den Vorschlag von HessenMobil verzichten und statt dessen der Fuß- und Radweg nach Oberau sowie die Umgestaltung der Vogelsbergstraße verhandelt werden solle.                          

Abgelehnt mit 18:9 Stimmen. Auch der Antrag des CDU-Gemeindevertreters Martin Kirchner auf Vertagung, bis die Beschlüsse vom 13. Februar 2014 umgesetzt seien, wurde mit 18:9 Stimmen abgelehnt.

Abgestimmt wurde dann gegen 23 Uhr über die Ergänzung des Beschlusses mit der weiteren „Vorzugsvariante 2.1“  und das war´s gewesen.

Man rieb sich die Augen und prüfte seine Ohren, denn über den eigentlichen Antrag des Gemeindevorstandes war nicht mehr abgestimmt worden. Der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Jürgen Seitz, hatte sogar noch kurz zuvor die Reihenfolge von vier Abstimmungen geändert, in dem der „Ergänzungsantrag für Variante 2.1“ (zunächs als 4. Abstimmung vorgesehen)  vor(!)gezogen wurde. Dann ging er davon aus, dass damit der eigentliche Antrag auch (insgesamt) mit(!)abgestimmt worden sei. So scheint es das Protokoll denn auch darzustellen – entgegen der spontanen Einschätzung mehrerer GemeindevertreterInnen nach Ende der Sitzung. Genau gelesen ist im Protokoll aber von einer „Abstimmung über den Erweiterungsantrag“ die Rede und nicht davon, dass über einen erweiterten Antrag“ abgestimmt wurde. Das mag wie das berühmte Suchen in den Krümeln erscheinen, doch fest steht: Diese Vorgehensweise stimmt nicht mit der Geschäftsordnung der Gemeinde überein. Darin ist bestimmt: es ist zunächst über die weitergehenden Änderungsanträge zu einer Beschlussvorlage zu entscheiden.

http://www.altenstadt.de/gv_altenstadt/Rathaus/Gremien/Gemeindevertretung/Niederschriften/140606.pdf

http://www.altenstadt.de/gv_altenstadt/Rathaus/Satzungen/Gesch%C3%A4ftsordnung%20Gemeindevertretung.pdf

In der Niederschrift können Sie auch genau nachlesen, wer gegen die OU gestimmt hat. Es waren die VertreterInnen der GRÜNEN-Fraktion: Karl Ventulett, Brigitte Kotula, Gisela Lederer, Dorothea Warns-Ventulett, Dr. Jale Richter, Ursula Reifschneider. Von der CDU lehnten Martin Kirchner und Beate Weber ab. Danke!

Wir wollen aber auch nicht vergessen, was nicht im Protokoll vermerkt ist: Die Beschwerde des Gemeindevertreters der FDP, Christoph Platen, gegenüber den BesucherInnen der Sitzung, dass es hier nun den Gegnern der OU gelungen sei, die Sitzung der Gemeinde als Diskussionsforum zu nutzen und hier eine „Machtdemonstration der Bürger mit massiver Einflussnahme auf die Gemeindevertreter“ durchzuführen (Frage hierzu: wer vertritt eigentlich wen in der Demokratie?). Ebenfalls wird die Einlassung des Gemeindevertreters, Klaus-Dieter Urbanek (FWG) in die Annalen der Gemeinde Altenstadt eingehen, dass es bei der Abstimmung im Ortsbeirat Oberau gegen die OU „nicht mit rechten Dingen zugegangen sei“. Man „wisse ja, wie dieser Abstimmung zustande gekommen sei“.

Hierzu passt dann der Beschluss des Ortsbeirats Oberau vom 25.6.2014, in dem der Ortsbeirat diese Äußerung als Entgleisung zurückweist und eine öffentliche Erklärung und Entschuldigung fordert, sowie den Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Herrn Seitz, auffordert, Herrn Urbanek wegen ungebührlichen Verhaltens eine Rüge auszusprechen. (ist offensichtlich bis Ende August 2014 nicht geschehen)

http://www.altenstadt.de/gv_altenstadt/Rathaus/Gremien/Ortsbeirat%20Oberau/Niederschriften/Niederschrift_Ortsbeirat_Oberau_2014.06.25.pdf

Am 13. Juni 2014 titelt der Kreisanzeiger leicht missverständlich: „Ortsumgehung ja, Sommerserenade nein“. Ludwig Hampe, langjähriger Bürger von Altenstadt, Mitglied des Frankfurter Opernhaus- und Museum-Orchesters, die seit über 20 Jahren in der Altenstädter Nikolai-Kirche gemeinsam mit BUND und NABU viele Benefizkonzerte durchgeführt hatten und international renommierter Künstlerischer Leiter der Engelthaler Sommerserenade – sagt die Sommerserenade ab!

Der Beschluss des Altenstädter Parlamentes für die OU habe ihn „im Kern seiner künstlerischen Unbefangenheit bei der Organisation der Sommerserenade getroffen“. „Nennen wir es eine Atempause, die wir zum Nachdenken über die Bedrohung der Kostbarkeiten unserer Heimat auf einem Spaziergang zwischen Altenstadt, Oberau und Höchst nutzen sollten“, sagte Hampe sehr verärgert. Die Entscheidung für die OU würde den Platz, dessen Atmosphäre ihn einst nach Altenstadt gezogen habe, massiv bedrohen. Die Absage sei als Moratorium zu verstehen, dass es nächstes Jahr weitergeht. Allerdings dann ohne weitere Planungen der Ortsumgehung.

Das war der Sachstand der Entwicklungen vor der Sommerpause.

Wie nun aber weiter? Was nun tun? Das fragten wir uns, also die BI gegen die Ortsumgehung, die Umweltverbände BUND und NABU, viele BürgerInnen und der Gewerbeverein:

Sollte man die Entscheidung der Gemeindevertretung anfechten, da die Abstimmung ja nicht so richtig korrekt stattgefunden hatte? Soll man in Diskussion und Streit über Formalitäten versinken? Auf der anderen Seite stand die große und breite Unterstützung durch die BürgerInnen Altenstadts und auch vieler Personen aus umliegenden Orten, die sie durch ihre Unterschrift und Teilnahme sowie Redebeiträge bei der Bürgerversammlung und Gemeindesitzung bekundet hatten. Sämtliche guten und tragfähigen Argumente aus der Altenstädter Bürgerschaft, vom Naturschutz, vom Gewerbe hatte die (2/3) Mehrheit der Gemeindevertreter ignoriert. Gegner der OU mussten sich sogar beschimpfen und fälschlich nachsagen lassen, sie hätten die Unwahrheit gesagt. Oder es wurden Dinge behauptet, die keiner gesagt hatte, nur um diese dann „zu widerlegen“. Das ist ein alter politischer Trick, aber einer der besonders üblen.

Angeblich ist sogar die Bemerkung gefallen, der Neumann müsse aufpassen, wenn er über die Straße gehe, dass er nicht überfahren werde.

Einige, besonders Mitglieder der SPD-Fraktion, hatten in der Sitzung am 6. Juni 2014 gar nichts mehr gesagt. Das erstaunte. Argumente für die OU? Nichts, rein gar nichts. Dafür lieferte allerdings die Anmerkung des CDU Fraktionsvorsitzenden, Falk Leonhard, in selbiger Sitzung eine gewisse Erklärung. Er sagte, ´man´ habe sich schon lange festgelegt, so dass die Diskussion für die CDU abgeschlossen sei.

Was also tun? Nach reiflicher Überlegung war Ende Juni die Frage: streben wir ein Bürgerbegehren an oder nicht? Es war inzwischen mehr als nur wahrscheinlich, dass die angelaufene Planungsmaschinerie von Hessen Mobil ungehindert weiterlaufen würde, mit bis zu 100.000 € finanziert durch die - finanziell real so klamme - Gemeinde Altenstadt.

Wenn wir kein Bürgerbegehren anstrebten, müssten wir warten bis die Vorplanung fertig und die Hauptplanung in der Mache ist. Da die OU Altenstadt nicht im Regionalplan verzeichnet ist, müsste anschließend der Regionalplan geändert werden. Danach folgt das Planfeststellungsverfahren und erst dann könnten die Naturschutzverbände BUND und NABU klagen. Das liegt in weiter Ferne. Wollen wir so lange warten? Wollen wir zusehen, dass die Gemeinde Altenstadt das Geld einfach so aus dem Fenster schmeißt?

Nein, das wollen wir so nicht!

Jetzt steht das Votum von vielen Altenstädter Bürger/innen gegen die OU. Jetzt steht ein Votum von 18:9 der Gemeindevertretung im Raum für zwei (!) „Vorzugs“varianten, obgleich von Hessen Mobil nur die Beschlussfassung für eine Variante gefordert war. Nein, wir wollen keinen endlosem Streit über Studien und Gutachten.

Ende Juni entschieden wir uns im „Bündnis gegen die Ortsumgehung“:

Wir starten ein Bürgerbegehren für einen Bürgerentscheid.

Wir starteten das Bürgerbegehren Anfang Juli 2014. Günstig war, dass am 6. Juli 2014 das 10. Kreiselfest in Alternstadt gefeiert wurde. Veranstalter war der Gewerbeverein. Sinnigerweise war es der Bau des Kreisels, der zu einer erheblichen Entspannung der Verkehrslage in Altenstadt im Jahr 2004 geführt hatte und die Staus an den Keiselzufahrten allesamt meist nicht mehr auftraten.

Gut zu überlegen war die Fragestellung für den Bürgerentscheid, denn sie musste sich auf den letztendlichen Beschluss beziehen, den die Gemeindevertretung gefasst hatte. Die Fragestellung musste also lauten:

„Sind Sie dafür, dass der Beschluss der Gemeindevertretung vom 6. Juli 2014, den Vorzugsstraßen 1 und 2.1 zuzustimmen, aufgehoben wird?“.

Sie bedeutet, dass der Beschluss für die Vorzugsvarianten gekippt ist, wenn ein Bürgerentscheid die Frage mehrheitlich befürwortet mit JA beantwortet wird und dies mind. 25% aller Wahlberechtigten in Altenstadt sind.

Die Frage war u.a. auch in der Weise formuliert, weil Hessen Mobil bekannt gegeben hatte, sie könne die OU nicht weiterplanen, wenn die Gemeinde keine bevorzugte Variante der Trassenführung angeben könne. Im Übrigen gilt, dass auch das Votum eines Bürgerentscheids wie auch Gemeindebeschlüsse drei Jahre gelten. Wenn unser Bürgerentscheid mit dieser Fragestellung Erfolg hat, ist der Bau der Ortsumgehung mit Sicherheit gestoppt. Es kam aber auch auf die Formulierungen unserer Begründungen für das Bürgerbegehren an.

Sie lauteten:

- Erhebliche Eingriffe in die Natur in der Nidderaue
- Weitere Schließungen von Geschäften in der Vogelsbergstraße
- Erhöhte Lärmbelästigung für große Teile Altenstadts und Oberau
- Hochwassergefahr steigt für Höchst und Oberau

Bürgerbegehren zu Entscheidungen einer Gemeindevertretung müssen in 8 Wochen 10% der Wahlberechtigten unterzeichnen. wir mussten uns also beeilen - es blieben uns nur noch 4 Wochen. Die Reaktionen von BesucherInnen des Kreiselfest machten Hoffnung. Viele unterschrieben. In den Folgetagen ging es erfreulich weiter. Die Unterschriftenlisten in den Geschäften entlang der Vogelsbergstraße wie z.B. Metzgerei Hensel, Parfümerie FEM, Majo Schuhe, Spielwaren Eberhardt, Haushaltswaren Sellnau, Optik- und Akustik Weber, Computer XCITE, Tankstelle Gering, Konditorei Neumann, Blumengeschäft Ressel, Kornelia Moden füllten sich mit beachtlicher Geschwindigkeit.

Am 30. Juni 2014 konnte unser "Bündnis gegen die OU 521" insgesamt 1277 Unterschriften direkt bei Bürgermeister Syguda im Rathaus übergeben.

OU-Unterschriftenbergabe an BM Syguda August 014-002

Nach der Prüfung durch die Gemeinde auf Wahlrecht, Doppelunterschriften und Wohnsitz ist nun Ende August 2014 klar, dass 1120 Unterschriften gültig sind. Das sind 24% mehr als die 903 Unterschriften, die nach Hess. Gemeindeordnung gefordert wurden. Und dies innerhalb von 4 Wochen. Das Bündnis ist stolz hierauf und dankt besonders der Unterstützung durch die Gewerbebetriebe entlang der Vogelsbergstraße.

www.neue-wochenpost.de/fileadmin/Eigene Dateien/ausgaben/ausgabe30_2014.pdf
www.kreis-anzeiger.de/lokales/wetteraukreis/altenstadt/buergerinitiative-uebergibt-unterschriften_14398731.htm

Foto rechts: Übergabe der Unterschriftslisten durch Dr. Werner Neumann BUND, Norbert Heidke (BI), Karl Ventulett (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) an Bürgermeister Nobert Syguda. (Foto:Schinzel, Kreis-Anzeiger)

Damit Sie sehen können, wie die Unterschriftenliste des Bürgerbegehrens für den ersten Bürgerentscheid, der in Altenstadt überhaupt je stattgefunden haben wird, aussieht, präsentieren wir Ihnen hier

das Muster für das:

 

Brgerbegehren OU-Formblatt-003

 

Der weitere Fahrplan:

Am 12. September 2014 findet die nächste Sitzung der Gemeindevertretung statt. Auf der Tagesordnung steht der Beschluss über die Durchführung unseres Bürgerbescheids. Der Termin muss festgelegt und eine Wahlleitung eingesetzt werden.

Der Bürgerentscheid wird an einem Sonntag in den Wahllokalen abgehalten - wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland bei Wahlen üblich. Ist die Mehrheit der Stimmen für die Aufhebung des Beschlusses der Gemeindevertretung, wird die weitere Planung der OU durch Hessen Mobil für drei Jahre gestoppt. Die Mehrheit der Stimmen der BürgerInnen sind in Altenstadt 25% oder 2256 Stimmen der insgesamt Wahlberechtigten. 

 

Stand:  08. September 2014 - Autor: Dr. Werner Neumann (BUND), Redaktion: Dr. Angela Vogel