Am 29. Februar 2016 ist Elisabeth Johann mit der Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Altenstadt ausgezeichnet worden
Endlich war es so weit. Am 29. Februar 2016, dem ganz besonderen Schalttag in diesem Schaltjahr 2016, um 15 Uhr, verlieh Bürgermeister Syguda im Rathaus von Altenstadt Elisabeth Johann die Ehrenbürgerinnenwürde Altenstadts.
Frau Johann, inzwischen mit 92 Jahren hochbetagt, aber wie man so sagt: gut beieinander, ist so etwas wie das Gedächtnis unseres Städtchens. Altenstadt-online hat eine Kurzbiografie über das Leben und Schaffen Elisabeth Johanns veröffentlicht.
Frau Johann hat das Archiv Altenstadts fast dreißig Jahre lang betreut, geführt und zu dem gemacht, was es heute ist - obgleich sie für die gegenwärtige wenig glückliche Unterbringung wahrlich nicht verantwortlich ist - ganz im Gegenteil, ihre Proteste verhallten ungehört.
Frau Johann hat neben ihrer umfangreichen Archivarbeit auch und darüberhinaus zahlreiche Bücher, Broschüren und Anthologiebeiträge z.B. in Dorfchroniken der Orte veröffentlich, die heute das gemeindliche Gesamtensemble "Altenstadt" bilden. Vor allem aber hat sie in unendlicher, geduldiger Kleinarbeit und umfassenden Korrespondenzen mit Überlebenden des Holocaust die viel beachtete Geschichte der jüdischen Altenstädter*innen ("Unsere jüdischen Nachbarn" 1991) erforscht und ein umfangreiches weithin vielbeachtetes Werk darüber publiziert.
Zuletzt, Ende 2015, erschien ihr Bändchen über die Töpferei in der Mark Altenstadt, ein bislang völlig vergessenes Kapitel der Geschichte unseres Städtchens, vor allem im 19. Jahrhundert.
Wer weiß schon noch, dass sich in mancher Erde der umliegenden Wälder noch heute wunderbare Tonerden finden ließen? Wer, mit welch schönen Motiven vor allem die Höchster Töpfer ihre Krüge und all das andere Tongeschirr, aber auch Dachpfannen und Ofenkacheln, versahen? Die Maiglöckchen zum Beispiel sind ein so schönes altes Motiv. Alles vergessen, auch von den Nachfahren der einstigen Töpferfamilien. Vergessen wahrscheinlich aber auch aus Scham, denn sie waren sehr arm, die Töpfer und ihre Familien - vor allem die Höchster Töpfer, und haben doch so schöne Dinge geschaffen.
Wer also, wenn nicht Frau Johann, hat die Ehrenbürgerwürde Altenstadts mehr verdient? Die Antwort liegt glasklar auf der Hand- jedenfalls für uns und nun auch von der Gemeinde, vertreten durch Bürgermeister Norbert Syguda.
Es spielten Dorothee Warns-Ventulett, Johanna Klein (beide Querflöte) und Karl Ventulett (Fagott) mit zwei Sätzen aus dem Frühwerk Mozarts auf und Bürgermeister Syguda hielt eine herzergreifende Laudatio auf die Geehrte, ihren Lebensweg und dessen wichtigste Stationen, prieß ihre Verdienste für die Gemeinde Altenstadt und gestattete einen schönen Überblick über ihr Schaffen, ihr Werk, ihr Wirken und ihr politisches Engagement in Bürgerinitiativen und zeitweise auch im Gemeindeparlament.
Wir gratulieren aus vollem Herzen von ganzem Herzen Ihnen, liebe Frau Johann, zu dieser Ehrung. Wir wünschen Ihnen, dass Sie noch lange immer mal wieder im Altenstädter Archiv vorbeischauen können, vor allem aber, dass Sie noch lange gesund und munter bleiben und die Ihnen ganz eigene freundliche Skepsis nicht verlieren.
Das Letztere auf gar keinen Fall.
Altenstadt-online, 1. März 2016
Elisabeth Johann
Jahrgang 1924 und seit 1965 Altenstädterin, hat eine sehr interessante, eine spannende Lebens- und Berufsgeschichte. Gelernte Buchhändlerin und Mutter von vier Kindern kam sie Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit dem Archiv- und Museumswesen in Berührung - Heimatforschung wurde ihr Lebensthema.
Erst baute sie das Heuson Museum in Büdingen weiter auf, dann wurde sie Museumsleiterin des Butzbacher Museums und machte es zu dem, was es heute ist. Bedeutsam auch ihr gesellschaftspolitisches Engagement. Sie demonstrierte für den Frieden, gegen Pershings und den Nato - Doppelbeschluss, half die Butzbacher Innenstadt vor der Abrissbirne zu retten (usw.usf.). Nach ihrer Pensionierung schrieb sie ein Buch nach dem anderen, herausragend darunter "Unsere jüdischen Nachbarn" (1991) und kümmerte sich fast drei Jahrzehnte um das Altenstädter Gemeindearchiv.
In Ruhe sitzt sie eigentlich nur, wenn sie forscht und schreibt. Gegenwärtig arbeitet sie an einer Geschichte der "Mark Altenstadt".
Unser Städtchen hat Frau Johann viel zu verdanken.
Sie ist
Archivarin und Heimatforscherin aus Leidenschaft
so lautet auch der Titel der ausführlicheren biografischen Darstellung ihres Lebens und Wirkens von Dr. Angela Vogel aus dem Jahr 2014:
"Wer kennt ihn in Altenstadt nicht, den alten ehemals blaugrauen Renault 4? Samstags ist er gelegentlich noch zu Einkaufszeiten zu beobachten.
Und wer kennt sie nicht, die Fahrerin des blauen Renaults? - Es ist Elisabeth Johann, hoch betagte Pensionärin und immer noch Archivarin des Archivs der Gemeinde Altenstadt – wenn jetzt auch nur noch manchmal.
Noch vor wenigen Monaten, am Abend des achten November 2013, hielt sie einen bewegenden Vortrag am Mahnmal für die vertriebenen und ermordeten jüdischen Altenstädter. Sie erinnerte daran, wie perfide die Nazis und deren AnhängerInnen Deutsche jüdischen Glaubens oder solche, die sie mit wenigen Federstrichen dazu gemacht hatten, mit Verordnung um Verordnung, Gesetz um Gesetz, Schritt für Schritt erst entrechteten, dann enteigneten, ihnen nahezu alle Existenzgrundlagen nahmen und schließlich mit Hilfe unendlich vieler MittäterInnen und Miethirnen in die KZ-Mordmaschine trieben.
Elisabeth Johann lebt seit 1965 in Altenstadt Höchst. Dort bewohnt sie das alte Höchster Schulhaus, zunächst mit ihrem Mann Wilhelm und ihren vier Kindern.
Jetzt vorwiegend allein.
Es ist ein schöner alter Fachwerkbau in einer Bauweise, die für die Wetterau einst typisch war. Der älteste Teil ist 1722 entstanden.
Man mag es kaum glauben, aber es ist historisch belegt:
Im größeren und einzig beheizbaren Raum der Schule wurden zeitweise bis zu hundert Kinder unterrichtet. Weil es sonst überall zu kalt war, setzten sich auch die übrigen Hausbewohner zu den Schulkindern dazu.
Es lässt sich nachlesen.
Elisabeth Johann hat (auch) die Geschichte des Höchster Schulhauses erforscht und in ihrer Festschrift
„100 Jahre Schule in Höchst“ (1996) der Nachwelt überliefert.
(..)"
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Frau Johann die Ehrenbürgerinnenwürde verleihen
Inzwischen haben BürgerInnen von Altenstadt die Gemeinde und die Gemeindevertretung gebeten, Frau Johann die Altenstädter Ehrenbürgerwürde zu verleihen.
Frau Johann hat sich so um unsere Gemeinde verdient gemacht, dass man staunen und sich verblüfft fragen muss:
Warum ist das nicht schon längst geschehen?
Bislang gibt es nur Ehrenbürger und keine einzige Ehrenbürgerin. Kann das in einer weltoffenen Gemeinde, wie Altenstadt meint es zu sein, weiter so bleiben, obgleich sie ein Gemeindemitglied wie Frau Johann hat, die sich so verdient um unser Städtchen und seine Geschichte gemacht hat? Wir meinen: nein.
Altenstadt-online 21. Februar 2015