Der "Altenstädter Freundeskreis für Flüchtlinge e.V." unterstützt die Stellungnahme

des "Runden Tisches für Flüchtlinge" in Friedberg

AFKeV, Altenstadt, 02.02.2016

 

 

"Für die Weiterentwicklung der Willkommenskultur

Stellungnahme des Runden Tisches für Flüchtlinge in Friedberg

Köln, in der Silvesternacht 2016: Aus einer großen Gruppe von Männern, die in zum Teil betrunkenem Zustand Böller und Raketen zünden, lösen sich kleine Gruppen heraus, umzingeln Frauen, belästigen sie, werden sexuell übergriffig und berauben sie. Soweit die bisher in diesem Ausmaß noch nicht gekannten Vorfälle in Köln und einigen anderen größeren Städten. Die Polizei ist überfordert und verschleiert das Ausmaß der Vorfälle. Das ist völlig inakzeptabel und darf sich auf keinen Fall wiederholen.

Für uns ist es nun beunruhigend zu beobachten, wie diese erschütternden Ereignisse unser Land so auseinanderdividieren und verunsichern können. Dringend notwendig ist jetzt eine konstruktive Diskussion darüber, wie wir die sichtbar gewordenen Probleme lösen wollen, und kein aufgeregtes Überbieten von Schmähungen und Rufen nach Verschärfungen der Gesetze für ALLE Asylbewerber, die nach der Silvesternacht unter Generalverdacht gestellt werden und am Pranger stehen.

Uns besorgt die Tatsache, dass vor allem Bundespolitiker von Justiz- über Innenminister bis hin zur Kanzlerin in dieser Diskussion populistisch die Vorreiter gespielt haben. Noch sind Täter nicht überführt und verurteilt, aber der Ruf nach schärferen Gesetzen soll den in den „sozialen Medien“ tobenden „Volkszorn“ befriedigen. Von Politikerinnen und Politikern erwarten wir Analyse, Besonnenheit und Verantwortung bei der großen gesellschaftlichen Aufgabe, die wir zu bewältigen haben. Davon wird mit den unüberlegten Rufen nach schärferen Gesetzen abgelenkt. Einzig die sichtbar werdenden Lücken im Sexualstrafrecht müssen geschlossen werden. Ansonsten haben wir kein Gesetzesproblem, sondern ein Vollzugsproblem.

In unserer konkreten Arbeit machen wir immer wieder die Erfahrung, dass Flüchtlinge überwiegend freundliche Menschen sind, die Schlimmes durchgemacht haben und sich mit großen Anstrengungen bemühen, sich möglichst schnell in unserer Gesellschaft einzuleben. Die Notwendigkeit, Deutsch zu lernen, wird von den meisten gesehen und mit viel Elan angegangen – da, wo es Angebote gibt. Von den Flüchtlingen in Friedberg sind viele schon länger in Deutschland und befinden sich in Warteschleifen. Es gibt Menschen, die vor mehr als zwei Jahren Asyl beantragt haben und immer noch keinen Bescheid haben, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) völlig überfordert ist und eine Menge von Asylanträgen vor sich herschiebt. Für diese Menschen gelten viele Rechte nicht, die für eine gute Integrationsprognose wichtig sind.

Die Tatsache, dass Integration nicht schneller geht, liegt unserer Erfahrung nach in den meisten Fällen nicht an mangelndem Integrationswillen der Flüchtlinge, sondern an den nach wie vor bestehenden bürokratischen Hürden und mangelnder Kooperation der verschiedenen staatlichen und behördlichen Ebenen. Alle, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind und sich um Sprachkurs, Anerkennung und Bleiberecht, Arbeit, Gesundheit und Wohnung für Flüchtlinge einsetzen, haben damit vielfältige Erfahrung gemacht. Diese Hürden müssen abgebaut werden.

Es ist entscheidend, ankommenden Flüchtlingen schnell verständlich zu machen, was in Deutschland geht und was nicht. Das geht besonders gut über den persönlichen Kontakt, über Begegnungen und Bereitschaft, sich aufeinander einzustellen. Die Gleichberechtigung, die Rechte von Frauen, die auch bei uns noch längst nicht in allen Bereichen vollständig durchgesetzt sind, sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Sie dürfen nicht in Frage gestellt werden. Diebstahl und Übergriffe auf Frauen sind auch heute schon Straftatbestände und müssen als solche verfolgt und verurteilt werden.

Es ist kontraproduktiv, Flüchtlinge unter den Generalverdacht zu stellen, integrationsunwillig oder gar gewaltbereit zu sein. Junge Männer sind wie alle anderen auf Perspektiven und Anerkennung angewiesen und bis auf wenige Ausnahmen bereit, sich diese auch zu verdienen. Wer heute einstimmt in die Hetze und Flüchtlinge diffamiert und isoliert, verhindert Integration und die Weiterentwicklung einer Willkommenskultur. Menschen, die sich abgelehnt fühlen, ziehen sich zurück in ihre eigenen Bevölkerungsgruppen und sind nur schwer zurückzugewinnen. Die Fehler, die früher mit den „Gastarbeitern“ gemacht wurden, sollen nicht wiederholt werden. Konstruktiver Umgang mit der Situation heute bedeutet: Wir sind bereit zum Kontakt und zur Begegnung, wir gehen auf Flüchtlinge zu, wir helfen ihnen, sich eine Lebensperspektive innerhalb unserer Gesellschaft zu erarbeiten und gute Nachbarn zu werden. Mindestens aber bedeutet es: Nicht gegen Flüchtlinge zu hetzen und Flüchtlingshelfer zu diffamieren, wie dies immer wieder geschieht. Menschen, die aus existentieller Not und Bedrohung geflohen sind, leben jetzt hier, und es kommt darauf an, dass wir das Beste daraus machen.

Bitte unterstützen Sie die Arbeit des Runden Tisch für Flüchtlinge in Friedberg, informieren sie sich und lassen Sie sich zur Mitarbeit gewinnen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Spendenkonto: Ev. Kirchengemeinde Friedberg, IBAN DE24 5185 0079 0050 0330 15, BIC HELADEF1FRI, Stichwort: „Runder Tisch Flüchtlinge“.

V.i.S.d.P.: Johannes Hartmann, Friedberg"